Pressemitteilung 2024/070 vom

Die rapide ansteigende Zahl von Personen mit ?bergewicht oder Adipositas stellt weltweit ein gravierendes medizinisches Problem dar. Neben dem sich ver?ndernden Lebensstil der Menschen spielen auch genetische Faktoren eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von ?bergewicht. Wissenschaftler:innen der Universit?t Leipzig und der Heinrich-Heine-Universit?t Düsseldorf haben jetzt einen neuen Regulator für das Essverhalten identifiziert. Die Erkenntnisse wurden im international angesehenen Nature-Journal ?Signal Transduction and Targeted Therapy“ ver?ffentlicht.

?Unsere Arbeit zeigt, dass noch nicht alle Komponenten, die die Nahrungsaufnahme regulieren, bekannt sind. Dabei k?nnen auch Rezeptoren eine Rolle spielen, an die bisher noch niemand gedacht hat“, sagt Dr. Doreen Thor, leitende Autorin der Studie und Wissenschaftlerin an der Medizinischen Fakult?t der Universit?t Leipzig. Denn der neu identifizierte Rezeptor Latrophilin-1 war bisher für Funktionen im Gehirn wie die Ausbildung und den Aufbau von Synapsen bekannt, jedoch nicht für die Steuerung der Nahrungsaufnahme. Er geh?rt zu den G-Protein-gekoppelten Rezeptoren und besitzt seinen Namen aufgrund der Bindungsf?higkeit zum Nervengift Latrotoxin. Dieses Toxin wird unter anderem von der Mediterranen Schwarzen Witwe, einer Spinnenart, produziert und hat den Rezeptor Latrophilin-1 als eine wesentliche neuronale Zielstruktur. 

In ihren Untersuchungen konnten die Forschungsteams um Dr. Thor, Universit?t Leipzig, und Prof. Dr. Simone Pr?mel von der Heinrich-Heine-Universit?t Düsseldorf zeigen, dass der Rezeptor Latrophilin-1 sowohl in den Hirnregionen, die das Essverhalten steuern, als auch im Fettgewebe pr?sent ist. M?use, denen dieser Rezeptor fehlt, zeigen in der Studie eine erh?hte Nahrungsaufnahme und eine verringerte k?rperliche Aktivit?t. Obwohl die Jungtiere zun?chst Normalgewicht aufweisen, entwickeln sie im Laufe weiterer vier Monate ein signifikantes ?bergewicht. Dabei entstehen die bekannten Begleiterkrankungen der Adipositas wie eine Fettleber und ein Diabetes mellitus.

Darüber hinaus identifizierten die Forschenden in den Sequenzierdaten der Leipziger Adipositas-Kohorte eine Rezeptorvariante von Latrophilin-1, die bei einer Patientin mit ?bergewicht auftrat. Untersuchungen in der Zellkultur konnten zeigen, dass diese Rezeptorvariante nicht die vollst?ndige Funktionalit?t aufweist. Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass der Rezeptor nicht nur im Tiermodell, sondern auch beim Menschen für die Entwicklung einer Adipositas von Bedeutung sein k?nnte.

 ?Mit den Ergebnissen haben wir einen neuen Ansatz, um die Regulation der Nahrungsaufnahme und die Entwicklung von Adipositas besser zu verstehen“, sagt Prof. Dr. Simone Pr?mel, weitere Korrespondenzautorin der Publikation. Zukünftige Studien in den beteiligten Arbeitsgruppen an den Universit?ten Leipzig und Düsseldorf sollen nun kl?ren, ob der Rezeptor als potenzieller pharmakologischer Ansatzpunkt dienen kann, um die Nahrungsaufnahme bei ?bergewicht zu regulieren.

Das aktuelle Forschungsprojekt ist eine Zusammenarbeit verschiedener Arbeitsgruppen der Sonderforschungsbereiche 1052 ?Mechanismen der Adipositas“ und 1423 ?Strukturelle Dynamik der GPCR-Aktivierung und –Signaltransduktion“ der Universit?t Leipzig sowie der Heinrich-Heine-Universit?t Düsseldorf. 

Originalpublikation in Signal Transduction and Targeted Therapy:
"Dysfunction of the adhesion G protein-coupled receptor latrophilin 1 (ADGRL1/LPHN1) increases the risk of obesity", Doi: https://doi.org/10.1038/s41392-024-01810-7