Pressemitteilung 2021/095 vom

Wissenschaftlern der Universit?t Leipzig ist es in Zusammenarbeit mit Kollegen aus Deutschland und England gelungen, zellul?re Prozesse reversibel zu verlangsamen. Die Biophysiker um Prof. Dr. Josef Alfons K?s und Dr. J?rg Schnau? konnten in Experimenten erstmals zeigen, dass sich Zellen in schwerem Wasser bei gleicher Temperatur wie in Zeitlupe verhalten k?nnen. Solche M?glichkeiten gab es aus physikalischer Sicht bisher nur im Rahmen der Relativit?tstheorie. Ihre Forschungsergebnisse haben sie soeben in dem renommierten Fachjournal ?Advanced Materials“ ver?ffentlicht.

Zellen sind nicht nur unsere biologischen Bausteine, sondern auch sehr dynamische, aktive Systeme. Der Forschergruppe um Prof. Dr. K?s ist es gelungen, diese Dynamiken mit schwerem Wasser deutlich zu verringern, ohne dabei die Zellen zu besch?digen.

?Schweres Wasser kennen viele allgemeinhin eher noch als wichtiges technisches Mittel aus Atomkraftwerken. Wir haben hier einen anderen Weg beschritten und konnten zeigen, dass sich die Zeit für Zellen beziehungsweise der Ablauf ihrer Dynamiken in Umgebungen mit schwerem Wasser deutlich verlangsamen l?sst“, sagt K?s, der sich der Erforschung der physikalischen Eigenschaften von Zellen und Gewebe verschrieben hat. Die Forschungen h?tten auf verschiedenen biologischen Ebenen gezeigt, dass die Bewegung von Zellen und ihre Dynamik nur noch in Zeitlupe ablaufen. ?Das interessante ist, dass zellul?re Dynamiken bei gleicher Temperatur verlangsamt werden k?nnen. Solche M?glichkeiten bietet im physikalischen Kontext bisher nur die Relativit?tstheorie“ erkl?rt K?s. Die Resultate bildeten die Grundlage für ein Verfahren, um Zellen und Organe m?glicherweise l?nger vor Degeneration schützen zu k?nnen.

Die Forscher best?tigten diesen Effekt mit einer Vielzahl komplement?rer Methoden und führten die Beobachtungen auf eine erh?hte Interaktion zwischen den Strukturproteinen zurück. ?Schweres Wasser bildet ebenfalls Wasserstoffbrückenbindungen aus, welche jedoch st?rker sind als in normalen w?ssrigen Umgebungen. Hierdurch scheinen Strukturproteine wie Aktin st?rker untereinander zu interagieren und sich immer wieder kurzzeitig zu verkleben. Spektakul?r ist hierbei, dass die Effekte reversibel sind und Zellen wieder ihre nativen Eigenschaften zeigen, sobald sie in ein normales w?ssriges Medium transferiert werden“, sagt Dr. J?rg Schnau?. ?Noch erstaunlicher ist, dass sich die Ver?nderungen wie bei einem passiven Material verhalten. Zellen sind jedoch h?chst aktiv und fernab vom thermodynamischen Gleichgewicht. Verhalten sie sich wie ein passives Material, sind sie sonst eigentlich tot“, erg?nzt K?s.

Wie die Forscher zeigen konnten, ist dies jedoch in ihren Experimenten nicht der Fall. Sie hoffen nun, die gewonnenen Erkenntnisse nutzen zu k?nnen, um Zellen oder sogar Gewebe l?nger vital halten zu k?nnen. Sollte sich dieser Ansatz best?tigen, k?nnte schweres Wasser für l?ngere Aufbewahrungszeiten, zum Beispiel w?hrend der Transplantation von Organen, genutzt werden.

Originaltitel der Ver?ffentlichung in Advanced Materials:
"Cells in Slow Motion: Apparent Undercooling Increases Glassy Behavior at Physiological Temperatures",
DOI: doi.org/10.1002/adma.202101840