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Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass das Auensystem entlang der Wei?en Elster, Plei?e und Luppe von seinem wichtigsten Element abgeschnitten ist: dem Wasser. Der Wald trocknet buchst?blich aus, verliert seine charakteristischen Baumarten und deren Bewohner. Der Grund sind historische Umbauten zum Hochwasserschutz und die Klimaerw?rmung. Eine Revitalisierung der Flusslandschaft ist deshalb unumg?nglich, sagen Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversit?tsforschung (iDiv), des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Universit?t Leipzig In enger Zusammenarbeit mit den zust?ndigen Naturschutzbeh?rden und -verb?nden haben sie jetzt eine Vision für das Leipziger Auensystem entwickelt und eine Karte mit Bewertungen von über 70 konkreten Ma?nahmen erstellt. Sachsens Umweltminister Günther würdigte das Papier als fundierte Grundlage und kündigte weitere Schritte an.

Intakte Flussauen und ihre W?lder sind einzigartige Lebensr?ume für eine Vielzahl oft seltener Tier- und Pflanzenarten. Allein das macht sie schützenswert. Darüber hinaus liefern sie den Menschen in der Umgebung wichtige ?kosystemleistungen, indem sie etwa das Stadtklima regulieren, Luft und Wasser reinigen und als Naherholungsgebiet fungieren. Dies alles leistet auch der Leipziger Auwald. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das für diesen Lebensraum wichtigste Element ausreichend vorhanden ist: Wasser. Aber daran mangelt es.

Der Leipziger Auwald ist der sechstgr??te Auwald Deutschlands. Doch schon seit über 80 Jahren fehlen ihm die lebensraumtypischen ?berschwemmungen. Zudem sinkt der Grundwasserspiegel. ?Die Leipziger Aue ist ein chronisch kranker Patient – und diese chronische Krankheit hei?t ?Neue Luppe‘“, erkl?rt der Biologe Prof. Dr. Christian Wirth von iDiv und der Universit?t Leipzig. Der künstlich angelegte Kanal diene zwar dem Hochwasserschutz, lege aber auch viele Flie?gew?sserrinnen trocken. Darüber hinaus scheint durch die seit 2018 anhaltende Trockenheit ein Kipppunkt überschritten zu sein. Nachdem die Holl?ndische Ulmenkrankheit diese ursprüngliche Hauptbaumart schon vor Jahren fast ausgerottet hat, droht nun den Eschen ein ?hnliches Schicksal, was weitreichende Konsequenzen für die biologische Vielfalt und Funktionsf?higkeit des Auwaldes haben dürfte. Erste Trockenheitssch?den zeigen sich auch bei der Stieleiche.

Wirth, der die Entwicklung des Leipziger Auwalds seit vielen Jahren wissenschaftlich begleitet, hat die Initiative ergriffen und erstmals Fachleute und Vertreter aus Umweltverb?nden, Beh?rden und der Wissenschaft zusammengebracht, um ein gemeinsames Positionspapier mit einer Vision für den Naturschutz zu erarbeiten. Das Ergebnis ist ein 63-seitiges UFZ-Diskussionspapier mit dem Titel ?Dynamik als Leitprinzip zur Revitalisierung des Leipziger Auensystems“. In zehn Thesen stellen die Autoren Leitlinien vor, auf deren Grundlage detaillierte Konzepte für die Wiederbelebung der Auen erarbeitet werden k?nnen. Darin betonen die Autoren drei Faktoren: Neben dem Wasservorkommen, spielen auch dessen natürliche Zustands?nderungen wie etwa ?berflutungen und Grundwasserschwankungen eine Rolle, die eine Vielzahl natürlicher Prozesse bef?rdern. Unumg?nglich sei auch die Wiedervernetzung der Lebensr?ume, da die Hauptflie?gew?sser von ihren Auen getrennt wurden.

Umweltminister Günther st??t Prozesses zur systematischen Rettung des Auwalds an

Vertreter des Autorenteams hatten das Papier am 9. November 2020 dem Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft, Wolfram Günther, pr?sentiert. Dieser würdigte das Papier mit seinem gesamtr?umlichen Ansatz als wertvolle Fachgrundlage für einen innerbeh?rdlichen Meinungsbildungsprozess und als gute Basis, die Rettung des Auwalds strategisch anzugehen.

Das Papier geht jedoch weit über einen theoretischen Ansatz hinaus. So bewerten die Autoren über 70 konkrete Ma?nahmen vor, die derzeit aus unterschiedlichen Gründen im Raum stehen, und benennen daraus die besonders zielführenden für die Auenvision. Diese sind auf einer Karte für Entscheidungstr?ger und interessierte Bürger übersichtlich dargestellt. Umweltminister Günther kündigte an, die aufgezeigten L?sungsans?tze in weiteren Strategiegespr?chen zur Umsetzung mit weiteren Interessentr?gern und Betroffenen zu diskutieren.

Die Autoren sind sich einig, dass mit der Umsetzung m?glichst rasch begonnen werden muss. ?W?hrend in vielen anderen Flussregionen Deutschlands bereits wirksame L?sungen umgesetzt sind, haben wir mit der Revitalisierung unseres Auensystems – abgesehen von wenigen r?umlich eng begrenzten Projekten – noch nicht einmal begonnen“, geben die beiden Mitautoren Philipp Steuer vom NABU Sachsen und Heiko Rudolf vom BUND Leipzig zu bedenken. Es sei aber h?chste Zeit für den gro?en Wurf.

?Wir befinden uns in einem Wettlauf gegen die Zeit“, best?tigt auch Mitautor Mathias Scholz, Auen?kologe am UFZ. ?Die nun immer deutlicheren Klimaver?nderungen versch?rfen nicht nur die Situation für die biologische Vielfalt, sondern auch für die Leistungsf?higkeit des Auen?kosystems insgesamt – mit Folgen für die Lebensqualit?t der Bürger Leipzigs und Umgebung."

Christian Wirth ist allerdings optimistisch, dass jetzt die richtigen politischen Impulse gesetzt werden. ?Die Revitalisierung von Flussauen ist eine der wirksamsten Ma?nahmen gegen die Krise der biologischen Vielfalt und den Klimawandel“, sagt Wirth. ?Die Erfolgsaussichten sind hoch und die Hauptprofiteure sind die Menschen der Region“.

Originalpublikation:

"Dynamik als Leitprinzip zur Revitalisierung des Leipziger Auensystems." UFZ-Discussion Papers 09/2020. 63 S. ISSN 1436-140X