Pressemitteilung I2021/001 vom

Smartphone-Apps zur Pflanzenbestimmung wie ?Flora Incognita“ k?nnen nicht nur Pflanzenarten erkennen, sie erfassen auch gro?r?umige ?kologische Muster. Diese Muster stimmen mit Langzeit-Kartierungen der deutschen Flora erstaunlich gut überein, obwohl sie in kürzester Zeit gewonnen wurden und stark vom Verhalten der Nutzer der App beeinflusst werden. Damit er?ffnen sich neue Perspektiven für die schnelle Erfassung von Ver?nderungen der Biodiversit?t. Das sind die wesentlichen Erkenntnisse einer Studie, die von einem Forscherteam aus Mitteldeutschland durchgeführt und in der Zeitschrift "Ecography" ver?ffentlicht wurde.

Mit Hilfe von 亚洲通_亚洲通官网¥娱乐网址r Intelligenz k?nnen Pflanzenarten heute mit hoher Genauigkeit bestimmt werden. Smartphone-Apps nutzen diese Technologie um eine unkomplizierte Bestimmung von Pflanzen vor Ort zu erm?glichen. Auch Laien k?nnen sich so schnell einen Zugang zur biologischen Vielfalt (Biodiversit?t) zu verschaffen. Doch vor dem Hintergrund von Klimawandel, dem Verlust von Lebensr?umen und ver?nderter Landnutzung k?nnten solche Applikationen noch einen weiteren Nutzen haben: Durch die Erfassung der Standorte der Pflanzenarten entstehen wertvolle Datens?tze, die Forschenden Aufschluss darüber geben k?nnen, wie sich verschiedene Umweltbedingungen ver?ndern.

Doch wie zuverl?ssig sind die so gesammelten Informationen – und k?nnen sie es mit langfristig angelegten Datens?tzen aufnehmen? Genau dieser Frage ist ein Forschungsteam des Deutschen Zentrums für Biodiversit?tsforschung (iDiv), des Remote Sensing Center for Earth System Research (RSC4Earth) der Universit?t Leipzig (UL) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie (MPI-BGC) und der Technischen Universit?t Ilmenau gemeinsam nachgegangen. Das Team untersuchte Daten, die zwischen 2018 und 2019 mithilfe der App Flora Incognita in Deutschland erfasst wurden, und verglich diese mit der Datenbank FlorKart des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Dabei handelt es sich um eine herk?mmliche Langzeit-Kartierung, die mit der Unterstützung von über 5000 Pflanzenexperten über einen Zeitraum von über 70 Jahren erstellt wurde.

App erlaubt Rückschlüsse auf ?kologische Muster in Deutschland

Die Forschenden konnten zeigen, dass sich mit den Daten, die in nur zwei Jahren mithilfe der App Flora Incognita gewonnen wurden, ?kologische Muster in Deutschland ableiten lassen, die mit einer langfristigen Kartierung der Flora Deutschlands vergleichbar sind. Die Daten spiegelten damit auch wider, welchen Einfluss verschiedene Umweltfaktoren auf die Verbreitung verschiedener Pflanzenarten haben.

Ein direkter Vergleich der beiden Datens?tze zeigte jedoch auch, dass die Datens?tze aus der App insbesondere dort von denen der herk?mmlichen Langzeit-Kartierung abwichen, wo eine geringere Bev?lkerungsdichte vorliegt. ?Wie viele Daten in einer bestimmten Region mit einer App gesammelt werden, ist natürlich stark davon abh?ngig, wie viele Smartphone-Nutzerinnen und -Nutzer es dort gibt“, sagt Dr. Jana W?ldchen vom MPI-BGC, Letztautorin der Studie und Mitentwicklerin der App. In l?ndlichen Regionen waren die Abweichungen daher st?rker – es sei denn, es handelte sich um beliebte touristische Ziele, wie beispielsweise an der Zugspitze oder auf der Nordsee-Insel Amrum. 

Auch die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer haben einen Einfluss auf die erfassten Pflanzenarten. ?Die mit der App gesammelten Pflanzenobservationen geben das wieder, was die Nutzerinnen und Nutzer in der Natur sehen und wofür sie sich interessieren”, sagt W?ldchen. So werden h?ufige und auff?llige Arten ?fter bestimmt als die seltenen und unauff?lligen Arten. Trotz solcher Besonderheiten hilft die schiere Menge der gesammelten Pflanzenbeobachtungen, bekannte biogeographische Muster zu rekonstruieren. Für ihre Studie konnten die Forschenden auf mehr als 900.000 Observationsdaten zurückgreifen, die w?hrend der ersten zwei Jahre seit dem Erscheinen der App entstanden sind.

Automatische Arterkennung birgt gro?e Potentiale

Die Studie zeigt das Potential dieser Art von Datenerfassung für die Biodiversit?ts- und Umweltforschung, die schon bald in Strategien zur Langzeit-Kartierung integriert werden k?nnte. ?Wir sind überzeugt, dass die automatische Arterkennung in Zukunft noch viel gr??ere Potentiale hat als bisher angenommen und eine schnelle Erfassung von ?nderungen der Biodiversit?t erm?glichen k?nnte“, sagt Prof. Miguel Mahecha von der Universit?t Leipzig, Erstautor und Mitglied des iDiv. Mit einer steigenden Nutzerzahl von Apps wie Flora Incognita k?nnten Ver?nderungen der ?kosysteme weltweit quasi in Echtzeit erfasst und analysiert werden.

Die App Flora Incognita wurde gemeinsam von den Gruppen von Dr. W?ldchen am MPI-BGC und von Prof. Patrick M?der an der TU Ilmenau entwickelt. Sie ist die erste in Deutschland angewandte App zur Pflanzenbestimmung, die tiefe künstliche neuronale Netze (Deep Learning) in diesem Kontext nutzt. Trainiert mit Tausenden von Pflanzenbildern, die von Experten bestimmt wurden, erkennt Flora Incognita mittlerweile über 4800 Pflanzenarten weit über die Landesgrenzen hinaus. 

?Bei der Entwicklung von Flora Incognita haben wir festgestellt, dass es einen gro?en Bedarf und ein gro?es Interesse an besseren Technologien zur Erfassung von Biodiversit?tsdaten gibt. Für uns als Informatiker ist es erfreulich zu sehen, dass die von uns entwickelten Technologien einen wichtigen Beitrag zur Biodiversit?tsforschung leisten”, sagt Co-Autor Prof. Patrick M?der von der TU Ilmenau.

Diese Forschung wurde u. a. im Rahmen eines iDiv-Flexpool-Projektes durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft – DFG (FZT-118) gef?rdert. Das Flora-Incognita-Projekt wird gemeinsam durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Bundesamt für Naturschutz und Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz gef?rdert und schl?gt eine Brücke zwischen Wissenschaft, Bev?lkerung und Beh?rden.

Originalpublikation
Miguel D. Mahecha, Michael Rzanny, Guido Kraemer, Patrick M?der, Marco Seeland, Jana W?ldchen (2021). Crowd-sourced plant occurrence data provide a reliable description of macroecological gradients. Ecography, DOI: 10.1111/ecog.0549

Weiterführende Links
https://floraincognita.com/