Was ist aus Ihrer Sicht ein Genozid und was nicht? Wird der Begriff gerade inflation?r verwendet?
Der Begriff V?lkermord wurde durch das Buch ?Genozid“ 1944 von dem jüdischen Jurist Raphael Lemkin gepr?gt. Hierbei handelt es sich um ein Verbrechen, das über die Schwere von anderen Massent?tungen hinausgeht. Die Geschichte kennt viele Massaker, bei denen eine gro?e Anzahlen an Menschen sterben. Aber von einem Genozid spricht man nur dann, wenn der T?ter die Absicht hat, eine nationale, ethnische, rassische oder religi?se Gruppe ganz oder teilweise auszul?schen.
In der UN-Genozidkonvention und dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) ist der Begriff n?her definiert. Die Ausl?schung einer Gruppe kann hiernach durch verschiedene Tathandlungen erfolgen wie T?tung, Verursachung von schwerem k?rperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe, Auferlegung von Lebensbedingungen, die geeignet sind, ihre k?rperliche Zerst?rung herbeizuführen, Verh?ngung von Ma?nahmen, die auf Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind oder eine gewaltsame ?berführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.
Auch wenn das Merkmal ?vollst?ndige oder teilweise Zerst?rung“ eng mit physischer Liquidierung konnotiert zu sein scheint, bezieht sich das Merkmal nicht nur auf physische und biologische Zerst?rung, sondern auch auf die Zerst?rung einer sozialen Einheit. Dabei muss das Tat-Ziel, n?mlich die tats?chliche Zerst?rung einer bestimmten Gruppe, nicht erreicht werden, um die Erfüllung des V?lkermord-Tatbestands zu bejahen. Ausschlaggebend ist vielmehr die Zerst?rungsabsicht, also das subjektive Element, das in der Regel sehr schwer nachweisbar ist. Eine besonders hohe Anzahl an Opfern ist dabei nicht ma?geblich, deutet aber als Indiz auf eine entsprechende Zerst?rungsabsicht hin. Im Fall des Holocaust war die systematisch Vernichtung der Juden durch die Nazis akribisch dokumentiert, weshalb hier zweifelsfrei ein Genozid vorlag.
Kann man Ihrer Meinung nach im Gaza-Krieg von einem V?lkermord sprechen?
Schaut man sich die Stellungnahmen verschiedener israelischer Regierungsvertreter an, welche auch im südafrikanischen Eilantrag vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) zitiert wurden im Zusammenspiel mit dem milit?rischem Vorgehen Israels in Gaza, die Abriegelung des Gazastreifens für die Zulieferung von Hilfsgütern und die Tatsache, dass es keinen sicheren Ort mehr gibt, an dem die Zivilbev?lkerung Schutz finden kann, sind meiner Bewertung nach schwere V?lkerrechtsverst??e naheliegend. Von einer inflation?ren oder überzogenen Verwendung des V?lkermordbegriffs in diesem Zusammenhang würde ich mit dem Umfang an Berichten, dokumentierten Handlungen und seri?sen Einsch?tzungen, nicht mehr sprechen.