Pressemitteilung I2024/001 vom

Eine neue Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Communications ver?ffentlicht wurde, zeigt, dass Grün- und Ackerland besser verschiedene Leistungen gleichzeitig erbringen k?nnten, wenn der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und mineralischen Düngemitteln verringert wird. Diese Ergebnisse gelten auch unter m?glichen zukünftigen Klimabedingungen, so die Forschenden vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversit?tsforschung (iDiv), dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der Universit?t Leipzig und der Martin-Luther-Universit?t Halle-Wittenberg (MLU).

Die Studie besch?ftigt sich erstmals mit verschiedenen ?kologisch-?konomischen Messgr??en für Multifunktionalit?t, welche die Pr?ferenzen unterschiedlicher Interessengruppen für verschiedene ?kosystemleistungen berücksichtigen. So legen beispielsweise Landwirte mehr Wert auf die Lebensmittelproduktion als andere Interessengruppen. Darüber hinaus profitiert die Gesellschaft insgesamt von regulierenden ?kosystemleistungen, etwa der Kohlenstoffbindung oder dem Erhalt der Wasserqualit?t.

Es gibt Debatten darüber, welche Art der Bewirtschaftung den diversen gesellschaftlichen Interessen am ehesten gerecht wird. Eine intensive Bewirtschaftung nutzt mineralischen Dünger und synthetische Pestiziden, um den Ertrag zu steigern. Solche Hilfsmittel werden bei einer extensiven Bewirtschaftung vermieden. Jede Art der Bewirtschaftung hat ihre Vor- und Nachteile: Eine intensive Bewirtschaftung kann zu h?heren Ertr?gen führen, aber auch zu Umweltbelastungen; eine extensive Bewirtschaftung kann dagegen aufgrund des geringeren Ertrags mehr Fl?che ben?tigen.  

?Dank des Designs unserer Studie konnten wir den Einfluss zentraler Elemente des globalen Wandels, wie Landnutzungs?nderung und Klimawandel, auf die Bereitstellung verschiedener ?kosystemleistungen untersuchen“, sagt Erstautor Friedrich Scherzinger, Alumnus von iDiv und der Universit?t Leipzig. ?Diese ?kosystemleistungen sind für das menschliche Wohlbefinden unabdingbar. Indem wir ?konomische und ?kologische Forschungsans?tze vereinen, kommen wir zu einem ganzheitlicheren Bild der vielen miteinander verbundenen Elemente eines ?kosystems.“

?kologie und ?konomie von Anfang an integrieren

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzten eine gro?es Feldexperiment-Anlage mit fünf Landnutzungstypen unter zwei verschiedenen Klimaszenarien (aktuelles und m?gliches zukünftiges Klima): die vom UFZ betriebene Global Change Experimental Facility (GCEF). Um die ?kologische Multifunktionalit?t zu bewerten, wurden 14 ?kosystemfunktionen untersucht, etwa die Bindung von Stickstoff oder die oberirdische Biomasseproduktion. Zur Bewertung der ?konomischen Multifunktionalit?t ermittelte das Team den finanziellen Gesamtwert der sechs ?kosystemleistungen Lebensmittelproduktion, Kohlenstoffbindung, Wasserqualit?t, Bodengesundheit, Erhalt der Biodiversit?t und Landschafts?sthetik.

?Die Global Change Experimental Facility ist ein einzigartiges Experiment“, sagt Koautor und GCEF-Koordinator Dr. Martin Sch?dler, ?kologie bei UFZ und iDiv. ?Damit k?nnen wir direkt vergleichen, wie verschiedene Landnutzungstypen unter standardisierten Bedingungen auf den Klimawandel reagieren – ohne St?reffekte durch ungleiche Bedingungen vor Ort. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn wir intensive und extensive Systeme vergleichen wollen, denn in der realen Welt unterscheiden sich die Bedingungen oft erheblich.“

Da die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Pr?ferenzen von Landwirten, Anwohnern, Umweltschützern und Tourismusverb?nden von vornherein berücksichtigten, konnten sie die ?kosystemleistungen umfassender bewerten als bei einer rein ?konomischen Betrachtung.

?H?here Level an Biodiversit?t wirken sich stabilisierend auf die Biomasseertr?ge aus und machen diese weniger st?rungsanf?llig, ?hnlich wie bei einem diversifizierten Anlageportfolio“, sagt Prof. Dr. Martin Quaas, Wirtschaftswissenschaftler  bei iDiv und der Universit?t Leipzig und Senior-Autor der Studie. ?Auf diesem Effekt basieren unsere Berechnungen zum natürlichen Versicherungswert der Biodiversit?t.“

Die Ergebnisse legen nahe, dass der zukünftige Klimawandel und eine intensive Bewirtschaftung die ?kologische Multifunktionalit?t von Grün- und Ackerland verringern. Insgesamt ist der wirtschaftliche Nutzen der ?kosystemleistungen bei einer extensiven Bewirtschaftung ungef?hr 1,7- bis 1,9-mal h?her als bei einer intensiven Bewirtschaftung, und zwar sowohl bei Grün- als auch Ackerland. Berücksichtigt man jedoch nur die Pr?ferenzen der Landwirte, dann steigt die Multifunktionalit?t von Grünland durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Stickstoffdünger. Die Ergebnisse beruhen auf dem Vergleich pro Einheit Fl?che; wegen der unterschiedlichen Produktivit?t intensiver und extensiver Landwirtschaft k?nnte ein Vergleich pro Einheit Ertrag anders ausfallen.

Bodenbiodiversit?t und ?kosystemleistungen verbinden

Das Forschungsteam untersuchte auch die Beziehung zwischen Bodenbiodiversit?t (die Vielfalt des Lebens im Boden) und ?kologischer Multifunktionalit?t bei verschiedenen Landnutzungstypen und unter aktuellen sowie m?glichen zukünftigen Klimabedingungen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Bodenbiodiversit?t einen wichtigen Anteil an der F?higkeit eines ?kosystems haben k?nnte, verschiedene Funktionen gleichzeitig zu erfüllen. ?kosysteme mit geringer Bodenbiodiversit?t k?nnten unter zukünftigen Klimabedingungen besonders anf?llig sein.

?Etwa 60 Prozent aller Arten leben im Boden. Diese Bodenlebewesen sind nicht nur unglaublich vielf?ltig, sondern sie sind auch das funktionelle Rückgrat unserer ?kosysteme“, erkl?rt Prof. Dr. Nico Eisenhauer, Boden?kologe bei iDiv und an der Universit?t Leipzig und Senior-Autor der Studie. ?Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass wir die Bodenbiodiversit?t mit zielgerichteten Managementstrategien erhalten k?nnen, und somit auch die verschiedenen Leistungen, die die Natur für uns erbringt.“

Die Studie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem ganzheitlichen und umfassenden Ansatz. Die Autorinnen und Autoren betonen, dass der gesellschaftliche Nutzen der Landwirtschaft aufgrund des Klimawandels, des Verlusts biologischer Vielfalt und zu hoher Mengen Agrochemikalien deutlich abnehmen k?nnte.

?Unsere Studie zeigt, dass Landwirte mit einer intensiven Bewirtschaftung die maximalen Ertr?ge einfahren, die Bereitstellung von ?kosystemleistungen ist aber bei einer extensiven Bewirtschaftung am h?chsten“, sagt Scherzinger. ?Traditionell sind es nun einmal die Landwirte, die das Land bewirtschaften. Der gesellschaftliche Nutzen kann daher nur dann optimal sein, wenn ein System geschaffen wird, das Landwirten Anreize bietet und die Differenz zwischen den Einnahmen aus intensiver und extensiver Bewirtschaftung ausgleicht.“

Die Studie berücksichtigt jedoch nicht alle relevanten Aspekte, wie zum Beispiel die landschaftliche Vielfalt oder den Fl?chenbedarf pro Ertragseinheit. Das macht umfassende Schlussfolgerungen hinsichtlich des optimalen Bewirtschaftungstyps weiterhin schwierig.

?Zukünftige Forschung sollte sich auf die Bereitstellung von ?kosystemleistungen auf Landschaftsebene konzentrieren und auf die Rolle der landschaftlichen Heterogenit?t für ein optimales gesellschaftliches Ergebnis“, schlussfolgert Scherzinger.

 

 

Originalpublikation

Sustainable land management enhances ecological and economic multifunctionality under ambient and future climate”, Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-024-48830-z