Pressemitteilung 2022/163 vom

Welche Pers?nlichkeit uns als Erwachsene auszeichnet, h?ngt nicht damit zusammen, ob wir mit Schwestern oder Brüdern aufwachsen. Zu diesem Ergebnis kommt eine internationale Studie von Forschenden der Universit?ten Leipzig und Zürich sowie der Victoria University of Wellington (Neuseeland). Die Ergebnisse wurden jetzt in der renommierten Fachzeitschrift ?Psychological Science“ ver?ffentlicht.

Geschwister spielen in der Kindheit eine zentrale Rolle, und so liegt die Vermutung nahe, dass sie einander langfristig in ihren Pers?nlichkeiten beeinflussen. Tats?chlich besch?ftigt sich die psychologische Forschung schon seit über einem halben Jahrhundert mit der Frage, welchen Unterschied es macht, ob Menschen mit Schwestern oder aber mit Brüdern aufwachsen. 

Wissenschaftler:innen untersuchten immer wieder, ob Brüder und Schwestern Einfluss darauf nehmen, wie sehr ihre Geschwister sogenannte ?geschlechtskonforme“ Eigenschaften annehmen, also Merkmale, die in der Gesellschaft als ?typisch m?nnlich“ oder ?typisch weiblich“ gelten. Dazu gibt es vielf?ltige Annahmen und auch widersprüchliche Befunde, auch weil frühere Studien oft auf einer schmalen und wenig belastbaren Datenbasis beruhten.

Um die bislang uneinheitliche Datenlage zu kl?ren, analysierte nun ein Team von Forschenden Daten von mehr als 80.000 Erwachsenen aus neun L?ndern, darunter Deutschland und die USA, aber auch beispielsweise Mexiko und China. M?glich wurde dies durch verschiedene Nationale Langzeitstudien, die systematisch und über Jahrzehnte hinweg Informationen über Personen erfassen, darunter auch ihre Lebensumst?nde und auf verschiedenen Wegen ermittelte Pers?nlichkeitsmerkmale. Die statistische Auswertung dieser Daten zeigte über die L?ndergrenzen hinweg, dass Pers?nlichkeitseigenschaften wie zum Beispiel Risikobereitschaft, emotionale Stabilit?t, Gewissenhaftigkeit und Geduld nicht systematisch mit dem Geschlecht der Geschwister zusammenh?ngen.

?Unsere Ergebnisse widerlegen die Idee, dass das Aufwachsen mit Brüdern oder Schwestern dazu führt, dass wir langfristig bestimmte Pers?nlichkeitseigenschaften entwickeln, die in einer Gesellschaft als ?typisch weiblich‘ oder ?typisch m?nnlich‘ gelten,“ erl?utert Dr. Julia Rohrer vom Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie der Universit?t Leipzig, eine der Autorinnen des Artikels. ?Insgesamt legt die aktuelle Studienlage nahe, dass Geschwister einen überraschend geringen Einfluss auf die Pers?nlichkeit im Erwachsenenalter haben. Beispielsweise zeigen frühere Studien unserer Arbeitsgruppe hier in Leipzig, dass auch die Geschwisterposition – also ob man zum Beispiel Erstgeborene:r oder Sandwichkind ist – keine gro?e Rolle für die Pers?nlichkeit spielt.“

Allerdings bedeuten die Ergebnisse der neuen Studie nicht, dass das Geschwistergeschlecht gar keine Rolle spielt für den langfristigen Lebensweg. ?konomische Studien haben gezeigt, dass in den USA und D?nemark Frauen mit Brüdern geringere Erwerbseinkommen erzielen. ?Hier gibt es anscheinend also durchaus interessante Dynamiken, die mit dem Geschlecht zusammenh?ngen“, so Rohrer. ?Aber die Pers?nlichkeit ist wohl kein Teil der Erkl?rung solcher Effekte.“

Originaltitel der Publikation in ?Psychological Science“:
No Evidence that Siblings’ Gender Affects Personality Across Nine Countries, doi.org/10.1177/09567976221094630