Pressemitteilung 2021/130 vom

Bei der Ursachenforschung zu der aktuellen Flutkatastrophe im Westen Deutschlands sowie in den angrenzenden L?ndern wird vor allem darüber diskutiert, inwieweit menschgemachter Klimawandel und Fl?chenversiegelung in den Einzugsgebieten die natürlichen Flutprozesse verst?rkt. Prof. Dr. Christoph Zielhofer, Physischer Geograph an der Universit?t Leipzig, sieht allerdings noch eine andere Gefahr: Bei extremen Hochfluten spielen seiner Ansicht nach die baulichen Ver?nderungen in den Flussauen eine gro?e Rolle. Dieser Aspekt komme in der Diskussion um die Ursachen der Flutkatastrophen bisher zu kurz. ?Bei extremen Niederschlagsereignissen nimmt die Bedeutung der Fl?chenversiegelung eher ab, da selbst offenporige B?den ab einem bestimmten Punkt kein Wasser mehr aufnehmen k?nnen“, betont er.

Auen sind besonders dynamische Landschaften und Kernzonen des Kultur- und Naturerbes Europas. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit sind Auen aber auch Brennpunkte früher menschlicher Eingriffe in den Naturraum. Der Mensch will Land gewinnen, Ressourcen nutzen und das Risiko etwa für Anwohner minimieren. Deshalb hat er die mitteleurop?ischen Auen wegen ihrer au?ergew?hnlich gro?en Nutzungsm?glichkeiten radikal und grundlegend ver?ndert. ?Diese menschliche ?berpr?gung kann so stark sein, dass Auen nicht mehr als solche erkennbar sind“, warnt Zielhofer. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist das Wirkungsgefüge von Mensch und natürlichen Prozessen in Auenlandschaften.

Stark betroffen von dieser Entwicklung sind Auenlandschaften in der N?he von Ballungsr?umen und Industrieregionen und in Regionen mit Tagebau. So werden die ?berflutungsr?ume durch Deiche eingegrenzt, die Flussl?ufe begradigt oder verlagert, und die Sande und Kiese der Auen abgebaut. Auch der Braunkohle-Tagebau spielt bei der Verlagerung der Flussl?ufe eine gro?e Rolle. ?Kommen mehrere dieser menschengemachten Faktoren in den Auen zusammen, sind die natürlichen Abflussverh?ltnisse oft nicht mehr gegeben. Extreme Hochfluten k?nnen dann selbst in den Auen von kleineren Flüssen wie aktuell an der Erft zu gro?en Sch?den führen“, so Christoph Zielhofer.

Am Fluss Erft kam es zu rückschreitender Erosion infolge der Flutung einer Kiesgrube. ?Je gr??er die H?henunterschiede in der Aue sind und je mehr Wasser flie?t, desto st?rker wird die rückschreitende Erosion. In natürlichen Auen kommen diese gro?en H?henunterschiede so nicht vor“, erl?utert Prof. Zielhofer. Besonders skeptisch sieht er auch die fortschreitende Bebauung der Auenlandschaften. Dadurch würden diese bei extremen Hochw?ssern immer schadensanf?lliger. ?Flüsse haben ein langes Ged?chtnis. Bei extremen Hochflutereignissen finden sie h?ufig wieder zurück in ihren früheren Flusslauf und durchbrechen menschengemachte Barrieren. Ich glaube allerdings nicht, dass wir etwas erreichen, jetzt nach Verantwortlichen vor Ort zu suchen. Vielmehr brauchen wir eine gesellschaftliche Debatte über die nachhaltige Nutzung von Auen“, fordert der Physische Geograph und Geomorphologe. Dabei müsse es darum gehen, wie wir den Flüssen ihre natürlichen ?berflutungsr?ume zurückgeben und den menschlichen Nutzungsdruck auf die Auenlandschaften reduzieren k?nnen.

Prof. Christoph Zielhofers Forschungsschwerpunkt liegt auf dem Gebiet der fluvialen Geomorphologie und dem Wirkungsgefüge von Mensch und natürlichen Prozessen in Auenlandschaften. Aktuell leitet er mit gemeinsam mit Forschenden der Universit?t Tübingen und der TU Darmstadt das Schwerpunktprogramm 2361 ?Auf dem Weg zur Fluvialen Anthroposph?re“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft.