Pressemitteilung 2022/072 vom

Atmen, Sehen, H?ren - die Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) ist an einer Vielzahl von physiologischen Prozessen beteiligt und auch Ursache für diverse Erkrankungen. Einige GPCR-Vertreter reagieren auf mechanische Reize, wie Wissenschaftler:innen um Prof. Dr. Dr. Ines Liebscher von der Universit?t Leipzig herausfanden. In Zusammenarbeit mit chinesischen Forschungsgruppen ist ihnen jetzt ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum Verst?ndnis des Aktivierungsmechanismus dieser Rezeptorklasse gelungen. Erstmals konnten sie die Struktur von speziellen aktiven Rezeptoren beschreiben. Die Erkenntnisse sind aktuell im international renommierten Journal ?Nature“ publiziert.

?GPCR sind an nahezu allen physiologischen Prozessen im K?rper beteiligt. Durch GPCR kann der Mensch sehen, sein Immunsystem steuern, den Hormonhaushalt lenken", erl?utert Prof. Dr. Dr. Ines Liebscher vom Rudolf-Sch?nheimer-Institut für Biochemie der Medizinischen Fakult?t und betont: ?Sie stehen seit vielen Jahren im Fokus unserer Forschungsaktivit?ten, und die Forschung an GPCR ist deshalb von so herausragender Bedeutung, da die Mehrheit der zugelassenen Arzneimittel auf diese Rezeptorfamilie abzielt.“ Bei den GPCR handelt es sich um Rezeptoren, die ihre Signale über sogenannte G-Proteine weiterleiten, weshalb sie auch G-Protein gekoppelte Rezeptoren - oder kurz GPCR - genannt werden.

Eine spezielle Rezeptorklasse, die sogenannten Adh?sions-GPCR, steht im Zentrum der Leipziger Forschung. In Zusammenarbeit mit mehreren chinesischen Wissenschaftler-Teams konnten die Forschungsgruppen um Prof. Dr. Dr. Ines Liebscher und Prof. Dr. Torsten Sch?neberg nun die Struktur von speziellen Rezeptormolekülen im angeschalteten Zustand beschreiben. Diese Daten belegen Erkenntnisse, die bereits vor sieben Jahren im Leipziger Institut entdeckt worden waren, wonach diese Rezeptoren durch einen im Molekül gebundenen Agonisten aktiviert werden. Weiterhin zeigten die Leipziger Forscher:innen, dass mechanische Reize in der Anschaltung durch den gebundenen Agonisten eine entscheidende Rolle spielen. Es ist bis heute immer noch nicht vollst?ndig gekl?rt, wie Mechanik - vermittelt durch Vibration, Schwerkr?fte, Zellrelativbewegungen oder Schwellung - von unseren k?rpereigenen Zellen als Signal interpretiert werden kann. ?Wir haben mit unseren Forschungen die Basis dafür geschaffen, dass unsere Kooperationspartner:innen aus China ein Szenario strukturell kl?ren konnten, wie mechanische Stimuli als Signal im Molekül erkannt und weitergeleitet werden“, erkl?rt die Medizinerin und Biochemikerin Liebscher. ?Die Ergebnisse finden sich jetzt in der aktuellen Studie.“

Funktionelle Beschaffenheit von mechano-sensitiven Rezeptoren aufgekl?rt

?Etwa ein Drittel der GPCR-Familie ist noch verwaist, was bedeutet, dass entweder Funktion oder Aktivierung unbekannt sind. Mit unserer aktuellen Forschung haben wir einen entscheidenden Beitrag zum besseren Verst?ndnis von GPCR-Strukturen geleistet“, so Co-Autor Sch?neberg, Direktor des Rudolf-Sch?nheimer-Instituts für Biochemie. ?Die neuen Studienerkenntnisse sind für die Entwicklung zukünftiger Therapieformen von richtungsweisender Bedeutung“, fasst Liebscher zusammen. Sie ist Mitglied des Lenkungsausschusses in der EU-gef?rderten COST Action Adher?n Rise CA18240, welche sie 2019 erfolgreich eingeworben hatte. Dieses Netzwerk von Wissenschaftler:innen aus 28 europ?ischen L?ndern verfolgt das Ziel, die Forschung zu Adh?sion-G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (aGPCRs) ?vom Labor bis zum Krankenbett“ zu f?rdern, anzuregen und umzusetzen. Die neuesten Erkenntnisse und Ans?tze zur Adh?sions-GPCR Forschung werden auch auf der internationalen Tagung 4GPCRnet pr?sentiert werden, deren Co-Organisatorin Prof. Liebscher ist. Dieses hochrangige Meeting wird vom 26. bis 29. September 2022 auf dem Leipziger Universit?tscampus am Augustusplatz stattfinden. 

Das aktuelle Forschungsprojekt ist angesiedelt im Sonderforschungsbereich 1423 ?Strukturelle Dynamik der GPCR-Aktivierung und –Signaltransduktion“, ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gef?rderter Forschungsverbund unter der Federführung der Universit?t Leipzig und Beteiligung der Martin-Luther-Universit?t Halle-Wittenberg, der Charité – Universit?tsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Zentrums für Molekulare Medizin. Forschende aus biochemischen, biomedizinischen und computerwissenschaftlichen Kontexten arbeiten über die Grenzen ihrer jeweiligen Institutionen und Disziplinen hinweg zusammen für ein umfassendes Verst?ndnis der Struktur und Dynamik von GPCRs. 

Originaltitel der Ver?ffentlichung in "Nature":

"Structural basis for the tethered peptide activation of adhesion GPCRs", doi:10.1038/s41586-022-04619-y