Pressemitteilung 2023/226 vom

Die Binge-Eating-St?rung ist die h?ufigste Essst?rung in Deutschland. Menschen, die daran leiden, verlieren oft die Kontrolle beim Essen und nehmen gro?e Nahrungsmengen zu sich. Anja Hilbert, Professorin für Verhaltensmedizin an der Universit?t Leipzig, untersucht, wie man die Erkrankung heilen kann. In einer aktuellen Pilotstudie hat sie mit ihrem Forschungsteam einen positiven Effekt von nahrungsbezogenem Neurofeedback festgestellt. Die Ergebnisse sind aktuell in der Fachzeitschrift Psychological Medicine ver?ffentlicht worden.

Bei der Binge-Eating-St?rung verlieren Menschen die Kontrolle darüber, was und wie viel sie essen. Starkes ?bergewicht ist oft die Folge dieser psychischen Erkrankung. ?Der Kontrollverlust führt zu psychischem Leid. Den Betroffenen f?llt es schwerer als anderen, ihre Essimpulse zu kontrollieren. Die Selbstregulation ist beeintr?chtigt“, erkl?rt Anja Hilbert, Professorin für Verhaltensmedizin an der Universit?t Leipzig. Die Standardbehandlung für eine Binge-Eating-St?rung ist Psychotherapie. Die Psychologin Hilbert untersucht, ob man diese Essst?rung auch auf anderem Wege heilen kann.

Bei der Binge-Eating-St?rung verfolgt das Forschungsteam der Universit?tsmedizin Leipzig Neurofeedback als Therapieansatz. Dabei messen bildgebende Verfahren, beispielsweise die funktionelle Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) oder die Elektroenzephalographie (EEG), die Hirnaktivit?t und machen sie auf einem Monitor für die Patient:innen sichtbar. Diese versuchen dann, anhand dieses Feedbacks ihre Hirnaktivit?t in gewünschter Weise zu beeinflussen – in Echtzeit. Funktionelle Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) ist ein nicht invasives bildgebendes Verfahren, das erfasst, wenn ?nderungen in der Hirnaktivit?t zu Ver?nderungen der optischen Eigenschaften von Hirngewebe führen.

In der aktuellen randomisiert-kontrollierten Pilotstudie erhielten 72 Patient:innen über einen Zeitraum von zwei Monaten zw?lf einstündige Sitzungen mit fNIRS- oder EEG-Neurofeedback oder sie befanden sich auf einer Warteliste für Neurofeedback. Beim Neurofeedback wurden die Patient:innen angeleitet, ihre Hirnaktivit?t bei Bildern von individuell problematischen Nahrungsmitteln, wie zum Beispiel Schokolade, zu regulieren. Das fNIRS-Neurofeedback zielte etwa darauf ab, die Hirnaktivit?t in individuell bestimmten Regionen des pr?frontalen Kortex beim Anblick dieser Nahrungsmittel zu steigern, um ihnen besser widerstehen zu k?nnen.

Die Ergebnisse der Pilotstudie zeigen, dass das fNIRS-Neurofeedback die Essanf?lle ebenso reduzieren konnte wie das EEG-Neurofeedback, und zwar tendenziell st?rker als bei Patienten auf einer Warteliste für Neurofeedback. Die Effekte zeigten sich sechs Monate nach Beendigung der Therapie. Dies deutet auf eine verz?gerte Wirkung nach dem Hirntraining hin. Auch Hei?hunger, ?ngste und der Body-Mass-Index der Teilnehmenden waren nach beiden Neurofeedback-Therapien st?rker verbessert als bei den Patient:innen auf der Warteliste.

?Die Ergebnisse zeigen erstmals eine gute Durchführbarkeit des fNIRS-Neurofeedback als neuen Therapieansatz für die Binge-Eating-St?rung, ?hnlich wie beim EEG-Neurofeedback, und geben erste Hinweise auf die Wirksamkeit. Zukünftig ist wichtig, die kurz- und langfristigen Effekte sowie Wirkmechanismen in einer gr??er angelegten Studie zu untersuchen. Auch sollte erforscht werden, bei welcher Intensit?t Neurofeedback seine optimale Wirkung entfaltet“, sagt Prof. Hilbert und erg?nzt: ?Aus klinischer Sicht sprechen die im Vergleich zur Psychotherapie geringer ausfallenden Effekte eher für einen begleitenden als alleinigen Einsatz von nahrungsspezifischem Neurofeedback in der Behandlung der Binge-Eating-St?rung, zum Beispiel w?hrend kognitiver Verhaltenstherapie. Weitere Analysen zeigen, dass vor allem Patientinnen und Patienten mit einem geringeren Body-Mass-Index und weniger starken Essst?rungssymptomen von Neurofeedback profitieren.“ 

Originalpublikation in Psychological Medicine: Near-infrared spectroscopy and electroencephalography neurofeedback for binge-eating disorder: an exploratory randomized trial. DOI: https://doi.org/10.1017/S0033291723002350