Pressemitteilung 2023/072 vom

Sollten über 70-j?hrige Patient:innen mit Kopf-Hals-Karzinomen eine aggressive, kombinierte Strahlen- und Chemotherapie erhalten? Diese Frage ist bei Betroffenen, Angeh?rigen und auch in Fachkreisen umstritten. Eine gro? angelegte, internationale Studie unter der Beteiligung der Universit?tsmedizin Leipzig belegt die Wirksamkeit dieser kombinierten Behandlung bei Patient:innen h?heren Lebensalters. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Fachmagazin JAMA Network Open ver?ffentlicht.

Der Anteil ?lterer onkologischer Patient:innen nimmt aufgrund der demographischen Entwicklung stark zu. Die Behandlung des Krebsleidens erfolgt gegenüber jüngeren Betroffenen sehr individuell aufgrund von h?ufigeren und teilweise schweren Begleiterkrankungen, altersbedingt zunehmender Gebrechen und geringeren k?rperlichen Ressourcen. Hinzu kommen behandlungsbedingte Nebenwirkungen, welche für die Lebensqualit?t ebenfalls zu berücksichtigen sind. Der Behandlungsstandard bei Kopf-Hals-Tumoren ist entweder die operative Tumorentfernung mit anschlie?ender Strahlentherapie oder eine organerhaltende Strahlentherapie in Kombination mit einer Chemotherapie. Insbesondere der Einsatz einer begleitenden Chemotherapie ist wegen der k?rperlichen Strapazen und Nebenwirkungen bei ?lteren Patient:innen sehr umstritten. Studiendaten zur optimalen Behandlung sind bisher kaum vorhanden.

Zwei Behandlungsvarianten im Vergleich

Eine internationale Studie an zw?lf Universit?tskliniken in Europa und den USA hat untersucht, inwieweit ?ltere Kopf-Hals-Tumorpatient:innen von einer kombinierten Strahlen- und Chemotherapie einerseits oder einer alternativen medikament?sen Therapie mit einem Antik?rper gegen einen Wachstumsfaktor-Rezeptor (EGFR) andererseits profitieren. Die klinische Studie zeigt, dass die Hinzunahme einer Chemotherapie zur Strahlentherapie mit einer besseren ?berlebenswahrscheinlichkeit einhergeht im Vergleich zur alleinigen Strahlentherapie. Dieser Vorteil war besonders ausgepr?gt bei Patient:innen zwischen 65 und 79 Jahren sowie bei Betroffenen mit gutem Allgemeinzustand und wenigen Begleiterkrankungen. ?Insbesondere fitten ?lteren Patienten mit geringen Nebenerkrankungen sollte diese effektive Therapie nicht allein aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters vorenthalten werden,“ erl?utert Studienleiter Prof. Dr. Dr. Nils Nicolay und führt weiter aus: ?Bei Strahlentherapie kombiniert mit der Einnahme des Wachstumsfaktor-Antik?rpers zeigte sich im Vergleich zur alleinigen Behandlung mit Strahlentherapie dagegen kein ?berlebensvorteil.“

Internationale Register für ?ltere Patient:innen mit Kopf-Hals-Tumoren in Arbeit

Um das herauszufinden, analysierten die Forscher:innen Daten von 1.044 ?lteren Patient:innen mit einem Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinom der Mundh?hle, des Rachens oder Kehlkopfes, welche im Zeitraum von 2005 bis 2019 mit einer Strahlentherapie und gegebenenfalls in Kombination mit einem Medikament behandelt wurden. Aktuell wird unter Federführung der Universit?tsmedizin Leipzig der Aufbau eines prospektiven internationalen Registers für ?ltere Patient:innen mit Kopf-Hals-Tumoren vorbereitet. Bereits mehr als 20 Zentren aus Europa, den USA und Australien haben ihr grunds?tzliches Interesse bekundet, daran mitzuwirken. In diesem Register sollen neben den onkologischen Daten weitere Parameter erhoben werden, darunter eine umfassende geriatrische Beurteilung, Daten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualit?t und zur H?ufigkeit von sogenanntem Entscheidungsbedauern, also dem Bedauern des Betroffenen, diese Therapie gew?hlt zu haben. ?In Zusammenarbeit mit anderen internationalen Arbeitsgruppen sollen zus?tzlich Modellierungen der erhobenen biologischen Parameter erfolgen, um künftig besser vorhersagen zu k?nnen, welche ?lteren Patient:innen von einer kombinierten Strahlen- und Chemotherapie profitieren würden,“ erkl?rt Dr. Alexander Rühle, Erstautor und Co-Studienleiter der Studie. ?Au?erdem sollen Werkzeuge entwickelt werden, die auf der Basis der individuellen Patientendaten eine gemeinsame Therapieentscheidung erleichtern sollen“, erg?nzt Professor Nicolay. 

Prof. Dr. Dr. Nils Nicolay und Dr. Alexander Rühle haben die Studie am Universit?tsklinikum Freiburg begonnen und mit ihrem Wechsel nach Leipzig fertig gestellt. Nicolay ist seit 1. September 2022 Professor für Strahlentherapie und Radioonkologie an der Medizinischen Fakult?t der Universit?t Leipzig. Mit der Berufung ist die Leitung der Klinik für Strahlentherapie am Universit?tsklinikum Leipzig verbunden.

Originalpublikation in JAMA Network Open:
"Evaluation of Concomitant Systemic Treatment in Older Adults With Head and Neck Squamous Cell Carcinoma Undergoing Definitive Radiotherapy", doi: 10.1001/jamanetworkopen.2023.0090