Pressemitteilung 2021/031 vom

Haben Wohlhabende bessere Chancen auf politische ?mter? Bekommen Reiche mehr Geh?r in der Politik? Welche Rolle Eigentum im Verlauf von politischen Karrieren und bei politischen Entscheidungen spielt, erforscht Politikwissenschaftler Dr. Lars Vogel von der Universit?t Leipzig in einem neuen Forschungsprojekt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gef?rdert wird. Sein Team wird in den kommenden vier Jahren repr?sentative Befragungen von Bundes- und Landtagsabgeordneten sowie Bürgerinnen und Bürgern durchführen, mit Funktionstr?gern in Parteien sprechen und im Internet ver?ffentlichte Informationen analysieren.

Herr Dr. Vogel, Politikerinnen und Politiker als wohlhabende Elite – ist das nicht eigentlich ein Klischee? Wieso ist es wichtig, darüber zu forschen?

Diesem Klischee liegen ja zwei Vermutungen zu Grunde. Erstens, dass Politikerinnen und Politiker durch ihre T?tigkeit in der Politik ?konomische Vorteile erlangen. Wir interessieren uns jedoch vorranging für die zweite Vermutung, n?mlich, dass Eigentum bereits für den Aufstieg in politische Spitzenpositionen eine Rolle spielt. 
Zwar ist bekannt, dass die soziale Herkunft in der Politik im Vergleich zum Beispiel zur Wirtschaft eine geringere Rolle spielt. Allerdings wird Eigentum in diese Analysen nur selten mit einbezogen. Nun gibt es aber Hinweise darauf, dass Eigentum und Verm?gen zunehmend wichtig werden. 

Stellen Sie sich einen Wahlkampf vor. Dort k?mpfen Parteien vielerorts zun?chst mit einer zurückgehenden Mitgliederanzahl und schwierigen Kassenlage. Dann sind die Kosten für die Kampagne, die Website, die Kugelschreiber, Plakate, Br?tchen für die Wahlkampfhelfer usw. zu finanzieren. Diese Kosten k?nnen schnell mehrere zehntausend Euro umfassen. Wer die selbst mitbringt oder anderweitig einbringen kann, ist als Kandidat gern gesehen. So erlangen die Personen Vorteile auf dem Weg in die Politik, die dieses Geld übrig haben. Damit würde die demokratisch geforderte Chancengleichheit für den Zugang zu politischen Entscheidungspositionen weiter eingeschr?nkt.

Sie wollen auch herausfinden, ob Politikerinnen und Politiker in Deutschland die Interessen von Verm?genden wichtiger nehmen als die Interessen von weniger wohlhabenden Menschen. Was bringt Sie zu der These, dass es so sein k?nnte?

Tats?chlich zeigen Studien für mehrere L?nder, dass politische Entscheidungen oft eher den Pr?ferenzen wohlhabender Bev?lkerungsteile entsprechen. Für Deutschland gilt das auch. Unbekannt sind eher die Gründe dafür. Liegt es daran, dass die ?rmeren seltener w?hlen gehen und die Politiker und Politikerinnen weniger auf sie Rücksicht nehmen? Oder daran, dass Politiker und Politikerinnen selbst wohlhabend sind? Welche Rolle spielen professionelles Lobbying oder professionalisierte Wahlk?mpfe, die auch entsprechende ?konomische Ressourcen erfordern? Auf Fragen wie diese wollen wir mit unserem Forschungsprojekt Antworten geben.

Unter Eigentum verstehen Sie nicht nur klassische Werte wie Geld oder Immobilien, sondern Sie beziehen auch neue Eigentumsformen in Ihre Forschung mit ein. Welche sind das?

Unsere Forschung findet im Rahmen eines Sonderforschungsbereiches statt, der die Vielfalt und den Wandel von Eigentumsformen untersuchen m?chte. Technischer und sozialer Wandel bringen neue Formen hervor und lassen andere in den Hintergrund treten.

Viele neue Eigentumsformen entstehen zurzeit beispielsweise durch Krisensituationen: Wem geh?rt ein Impfstoff, der nur durch massive ?ffentliche Zuschüsse entwickelt werden konnte? Wem geh?rt der Wind, der in Windr?dern geerntet wird? Wird der verm?gende Teil der Bev?lkerung auch in der Corona-Politik besonders berücksichtigt? Ganz neue Fragen stellen sich auch zur Verfügbarkeit von Eigentum, das in Cloud-Speichern kaum noch physische Entsprechungen besitzt. 

Wir werden im Austausch mit den über zwanzig Teilprojekten aus unterschiedlichsten Disziplinen vor allem untersuchen, welche Wirkungen neue Eigentumsformen auf die Funktionsweise der repr?sentativen Demokratie besitzen.

Der neue, durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bis vorerst 2024 gef?rderte Sonderforschungsbereich Transregio 294 ?Strukturwandel des Eigentums“ ist an den Universit?ten Jena und Erfurt angesiedelt und m?chte in über 20 Teilprojekten die Rolle von Eigentum in Politik und Gesellschaft (wieder) st?rker bewusst machen. Dr. Lars Vogel vom Institut für Politikwissenschaft an der Universit?t Leipzig ist gemeinsam mit Prof. Dr. Marion Reiser (Universit?t Jena) mit dem Teilprojekt ??konomisches Eigentum und politische (Un-)Gleichheit. Eine elitensoziologische Analyse“ daran beteiligt.