Pressemitteilung 2023/098 vom

Im Alltag ?ndern sich unsere Emotionen oft von Augenblick zu Augenblick, und Menschen erleben diese Schwankungen in unterschiedlichem Ma?e. Psycholog:innen der Universit?t Leipzig haben den Zusammenhang zwischen der Pers?nlichkeitseigenschaft Neurotizismus - einem potenziellen Risikofaktor für die mentale Gesundheit - und emotionalem Erleben untersucht. Sie fanden heraus, dass neurotische Menschen negative Emotionen nicht nur intensiver, sondern auch mit mehr Stimmungsschwankungen erleben als andere. Ihre Erkenntnisse haben sie nun im Fachjournal ?Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) ver?ffentlicht.

?Frühere Studien sind sich einig, dass neurotische Personen st?rkere negative Emotionen im Alltag erleben. Uneinigkeit herrschte aufgrund von neuen, widersprüchlichen Studien darüber, ob dies auch mit erh?hter Variabilit?t im emotionalen Erleben, also Stimmungsschwankungen, einhergeht“, sagt die Erstautorin der Studie Nina Mader vom Wilhelm-Wundt-Institut für Psychologie der Universit?t Leipzig. Die Pers?nlichkeitspsycholog:innen der Universit?t Leipzig haben einen neuen Ansatz zur Modellierung der Daten gefunden, der bisherige methodische Probleme l?st. ?Wir verwenden einen Ansatz aus der bayesianischen Statistik, der zus?tzliche Flexibilit?t in der Datenmodellierung erlaubt. Diesen Ansatz haben wir zuerst in Simulationen erfolgreich getestet und dann 13 L?ngsschnittdatens?tze erneut untersucht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass neurotische Menschen tats?chlich eine gr??ere Variabilit?t in negativen Emotionen erleben“, erkl?rt Mader. Insgesamt wurden 2.518 Personen zu ihren Emotionen befragt.

Neurotizismus ist eine Pers?nlichkeitseigenschaft. Die einzelnen Pers?nlichkeitseigenschaften beschreiben zeitlich relativ stabile, transsituativ konsistente Merkmale einer Person. Sie umfassen sowohl unser Erleben als auch unser Verhalten und damit auch, wie wir denken (Kognitionen) und fühlen (Affekte). Menschen unterscheiden sich in ihrer Pers?nlichkeit und damit auch in ihrer Neurotizismus-Auspr?gung. ?Es gibt also nicht eine Schwarz-Wei?-Einteilung in neurotische Menschen und nicht-neurotische Menschen, sondern vielmehr ein dimensionales Kontinuum mit vielen Graustufen“, so die Psychologin.

Personen mit hohen Neurotizismus-Werten erleben negative Emotionen nicht nur st?rker, sondern auch h?ufiger als Personen mit durchschnittlichen beziehungsweise unterdurchschnittlichen Auspr?gungen. Sie sind ?fter selbstkritisch, reagieren schlechter auf Kritik von au?en und erleben vermehrt das Gefühl "nicht gut genug" zu sein. Studien haben gezeigt, dass Neurotizismus-Werte am h?chsten w?hrend der sp?ten Jugend sind und dann im Laufe des Erwachsenenalters wieder abnehmen und sich stabilisieren. Zudem weisen Frauen sowie Personen mit niedrigem sozio?konomischem Status h?here Neurotizismus-Werte auf als andere Menschen. 

Seit den 90er Jahren interessieren sich Pers?nlichkeitspsycholog:innen dafür, wie beziehungsweise ob die Pers?nlichkeit unser emotionales Erleben beeinflusst. In mehreren Studien wurde dazu die Pers?nlichkeit von einer gro?en Stichprobe erhoben sowie das emotionale Erleben über einen l?ngeren Zeitraum beobachtet. So wurde beispielsweise mehrmals t?glich abgefragt, wie traurig, wütend oder gelangweilt die Proband:innen auf einer Skala von 1 bis 7 waren. Dabei zeigte sich deutlich, dass es einen Zusammenhang zwischen Neurotizismus und dem Erleben von negativen Emotionen gibt. ?W?hrend negative Emotionen im Alltag bei Personen mit niedrigen Neurotizismus-Werten sehr selten auftreten, berichten Menschen mit hohen Neurotizismus-Werten über signifikant mehr negative Emotionen in ihrem Alltag“, erl?utert Mader. Man spricht von einer überproportional starken Reaktion auf ausl?sende Umst?nde. So k?nnte zum Beispiel eine kleine Meinungsverschiedenheit bei Letzteren gro?e Wut ausl?sen oder auch nur der Gedanke, dass die Bahn heute sehr voll sein k?nnte, starken Stress und Sorgen verursachen.

Originaltitel der Ver?ffentlichung in PNAS: 

?Emotional (in)stability: Neuroticism is associated with increased variability in negative emotion after all“, doi.org/10.1073/pnas.221215412