Pressemitteilung 2024/072 vom

Knapp ein Drittel aller Werbespots im Fernsehen werbe für klimasch?dliche Produkte. Damit schade der deutsche Werbemarkt auf diesen Verbreitungswegen dem Klima und die Werbepraxis versto?e gegen den Medienstaatsvertrag. Zu dieser Aussage kommt ein Forschungsteam um Kommunikationswissenschaftler Dr. Uwe Krüger von der Universit?t Leipzig, das mit Unterstützung der Otto Brenner Stiftung tausende Werbespots auf die Umweltvertr?glichkeit der beworbenen Produkte hin untersucht hat. Die Studie ?Reklame für Klimakiller. Wie Fernseh- und YouTube-Werbung den Medienstaatsvertrag verletzt“ wurde nun ver?ffentlicht.

Die Forschenden haben Werbespots der gr??ten deutschen Fernsehsender und auf YouTube analysiert und den CO?-Fu?abdruck der beworbenen Güter berechnet. ?Unsere Studie basiert auf 9.779 Werbespots, jeder einzelne davon wurde manuell codiert. Das sind knapp 52 Stunden ausgewertetes Videomaterial. Mit dieser enormen Datenbasis k?nnen wir die realistische Aussage treffen, dass der deutsche Werbemarkt im Fernsehen und auf YouTube dem Klima schadet“, sagt Autorin Katharina Forstmair. 30,3 Prozent, rund 3.000 Spots, appellierten an die Zuschauer:innen, klimasch?dliche Waren und Dienstleistungen zu erwerben beziehungsweise zu konsumieren. TV-Werbebeitr?ge machten im Schnitt deutlich h?ufiger für Klimasünder Werbung als ihre Pendants auf YouTube. In den ausgewerteten Werbeclips der aufrufst?rksten Videos der gr??ten deutschen YouTube-Kan?le wurde in rund jedem siebten Beitrag ein ?Klimakiller“ angepriesen.

Einige Produktgruppen stellten sich als besonders klimarelevant heraus. So wurden 86 Prozent der Spots für Sü?waren klimasch?dlichen Produkten zugeordnet, vor allem hat Schokolade einen recht gro?en CO?-Fu?abdruck. Aber auch Produkte rund um Autos (78%) und Drogerieartikel (72%) sind in gro?er Mehrzahl als klimasch?dlich einzustufen. Mit dem Kauf eines einzigen der angepriesenen Artikel, so ein weiterer Befund der Studie, ist das unter dem zurzeit angestrebten Klimaziel (Begrenzung der Erderw?rmung auf 1,5 Grad) jedem Erdenbürger j?hrlich zustehende CO?-Budget bereits aufgebraucht.  ?Wir sind an Werbung für Autos, Flugreisen, Rindfleisch-Burger, Kaffee und viele andere emissionsstarke Produkte gew?hnt“, sagt Studienleiter Dr. Uwe Krüger. ?Aber wenn man sich vor Augen führt, dass Werbung eine Form des Appells ist, wird die Absurdit?t deutlich: Wir appellieren an die Bev?lkerung, weiter Klima-Killer zu kaufen und zu konsumieren, w?hrend die Klimakrise uns bereits Dürren, Waldbr?nde, ?berschwemmungen, Hitzetote und massives Artensterben beschert.“

Die Studie analysiert auch die Strategien, mit denen die Klimasch?dlichkeit der Produkte unsichtbar gemacht oder sogar ins Gegenteil verkehrt werden: ?21 Prozent aller Werbespots für klimasch?dliche Produkte warben zum Beispiel mit Bildern von Naturlandschaften und Wildtieren. Damit wird die Botschaft vermittelt, man tue etwas Gutes für die Umwelt, wenn man diese Produkte kauft“, konstatiert Autorin Alexandra Hilpert. Das sei ?irreführendes Greenwashing“. Insgesamt sehen die Wissenschaftler:innen die Medienpolitik in der Bringschuld, verst??t doch die gegenw?rtige Werbepraxis gegen Paragraf 8 des Medienstaatsvertrages. Dieser untersagt Werbung für Verhaltensweisen, die ?in hohem Ma?e den Schutz der Umwelt gef?hrden“.

?Der Medienpolitik steht eine Vielzahl unterschiedlicher Instrumente zur Verfügung, die es endlich ernsthaft zu diskutieren und konkret umzusetzen gilt“, sagt Jupp Legrand, Gesch?ftsführer der Otto Brenner Stiftung, welche die Studie gef?rdert und ver?ffentlicht hat. Verpflichtende Warnhinweise für klimasch?dliche Produkte oder die Einführung eines dynamischen Preis- beziehungsweise Umlagesystems für Werbung geh?ren niederschwellig dazu. Aber je nach dem CO?-Fu?abdruck der beworbenen Güter sollte auch das ?scharfe Schwert der Werbeverbote für bestimmte Produkte und Produktgruppen“ erwogen werden, fordert Legrand. Klar sei jedenfalls: ?Der Status Quo ist nicht l?nger zu rechtfertigen.“

Hintergrund:

Ihren Ursprung hat die Studie in einem Forschungsseminar des Masterstudiengangs Journalismus der Universit?t Leipzig vom Sommersemester 2022. ?Drei engagierte Studentinnen hatten das Thema, die theoretische Grundlage und das Methodendesign erarbeitet. Dank F?rderung der Otto Brenner Stiftung konnten wir die aufw?ndige Inhaltsanalyse dann auch durchführen – mit acht flei?igen Hilfskr?ften aus verschiedenen Studieng?ngen unseres Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft“, sagt Studienleiter Dr. Uwe Krüger. ?Ich freue mich, dass wir nun die Ergebnisse als Arbeitspapier der Otto Brenner Stiftung publizieren k?nnen – mit den drei Studentinnen von 2022 als Ko-Autorinnen.“ Das Projekt fand in Kooperation und mit Unterstützung der Universit?tsgesellschaft Leipzig e.V. statt.

Originalpublikation:

Uwe Krüger / Katharina Forstmair / Alexandra Hilpert / Laurie Stührenberg: Reklame für Klimakiller. Wie Fernseh- und YouTube-Werbung den Medienstaatsvertrag verletzt, OBS-Arbeitspapier 66, Frankfurt am Main, Mai 2024; Online: https://www.otto-brenner-stiftung.de/reklame-fuer-klimakiller/

Veranstaltungshinweise:

Die Studie wird mit zwei ?ffentlichen Vortr?gen vorgestellt. 

Eine Online-Veranstaltung des Netzwerks "Kritische Kommunikationswissenschaft" findet am Dienstag, 14. Mai 2024, um 18 Uhr im Rahmen der Reihe "KriKoWi:talks" statt.

Eine Pr?senz-Veranstaltung an der Universit?t Leipzig (Campus Augustusplatz) findet am Donnerstag, 16. Mai 2024, um 17:15 Uhr im Rahmen der "Public Climate School" der Students for Future Leipzig statt.