Pressemitteilung 2022/136 vom

Kinder und Jugendliche haben einer aktuellen Studie der Universit?t Leipzig zufolge unter der Corona-Krise besonders stark gelitten. Die Zahl der Hilfesuchenden in den ohnehin schon überlaufenen psychotherapeutischen Praxen Deutschlands sei stark gestiegen, sagt der Kinder- und Jugendpsychologe Prof. Dr. Julian Schmitz vom Institut für Psychologie der Universit?t Leipzig. Er und sein Team haben im Frühjahr 2021 per Fragebogen deutschlandweit 324 Kinder- und Jugendpsychotherapeut:innen zu diesem Thema befragt. Die Ergebnisse ihrer Studie – der ersten, die bislang solche Daten erfasst hat – ver?ffentlichten sie gerade in der Fachzeitschrift ?Die Psychotherapie“.

?Wir haben danach gefragt, wie sich im Frühjahr 2021 die Situation in den Praxen in den letzten sechs Monaten im Vergleich zum gleichen Zeitraum vor zwei Jahren, also vor der Pandemie, ver?ndert hat“, erkl?rt Schmitz. Die Ergebnisse seien alarmierend gewesen: Die Wartezeit auf ein therapeutisches Erstgespr?ch habe sich im Bundesdurchschnitt von fünf auf zehn Wochen, die auf einen Therapieplatz von drei auf sechs Monate verl?ngert. Besonders akut sei die Situation in l?ndlichen Gebieten, wo die Wartezeit mittlerweile wegen der schlechteren therapeutischen Versorgung bei über einem Jahr liege. 

?Nicht nur der Bedarf ist gestiegen, auch die Qualit?t der psychotherapeutischen Versorgung hat sich verschlechtert“, so der Experte. In Zeiten des Lockdowns und Homeschoolings habe sich die Zusammenarbeit mit P?dagog:innen in Kitas und Schulen sowie den Besch?ftigten der Jugendhilfe verschlechtert. Dies habe die H?lfte der Befragten so empfunden. ?Die Pandemie hat Barrieren im Hilfesystem aufgebaut“, betont Schmitz. 

Besonders h?ufig wurden bei Kindern und Jugendlichen Depressionen, Angst- und Anpassungsst?rungen sowie Schlafst?rungen festgestellt. Wegen des eingeschr?nkten Kontakts zu Gleichaltrigen habe auch die Medienabh?ngigkeit zugenommen. In den Praxen h?tten sich h?ufig junge Patient:innen vorgestellt, die früher schon in therapeutischer Behandlung waren – laut Schmitz ?eine vunerable Gruppe, die sehr sensibel auf Stress reagiert“. In den Praxen seien deshalb mehr Akutf?lle behandelt worden, was allerdings auf Kosten von Langzeittherapien ging. Die Gründe für diese Entwicklung sieht Schmitz in der ver?nderten Tagesstruktur durch Homeschooling oder Wechselunterricht, eingeschr?nkten Freizeitm?glichkeiten und sozialen Kontakten, allgemeiner Unsicherheit, im Wegfall vieler Angebote des Hilfesystems und der konkreten Angst vor einer Corona-Infektion. 

?Wir brauchen ein kontinuierliches Monitoring der Situation in den Praxen“, nennt Schmitz eine Schlussfolgerung aus der Studie, die auch von der Bundespsychotherapeutenkammer aufgegriffen wurde. Dies sei besonders wichtig, da gerade bei den Krankenkassen die Meinung vorherrsche, dass es genug Therapiepl?tze für Kinder und Jugendliche gebe. Der Psychologe und sein Team wollen in einem n?chsten Forschungsprojekt mit Unterstützung einer Stiftung diese Daten kontinuierlich erfassen. 

Originaltitel der Ver?ffentlichung in "Die Psychotherapie":
"Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die ambulante psychotherapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen"