Pressemitteilung 2022/168 vom

Corona, Klimawandel, Krieg in der Ukraine und steigende Inflation in Deutschland – auch Jugendliche hierzulande müssen gerade mit vielen schwierigen Krisenthemen klarkommen. Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Nina Kolleck von der Universit?t Leipzig forscht zu dieser Thematik. Kürzlich hat sie eine Studie zum politischen Umgang Jugendlicher mit dem Ukraine-Krieg beendet, die demn?chst publiziert wird. Im Interview erkl?rt sie, wie die junge Generation gerade mit dieser geballten Krisenflut klarkommt und welches Thema Jugendliche derzeit am meisten besch?ftigt.

Frau Prof. Kolleck, wie fühlen sich Jugendliche angesichts der zahlreichen Krisen, die wir alle gerade durchleben?

Die Gegenwart der Jugend ist gepr?gt von Krisen und Katastrophen. Das schl?gt sich auch in dem Lebensgefühl der jungen Menschen nieder. In unserer repr?sentativen Befragung zeigt sich, dass sich Jugendliche mit dem Krieg in der Ukraine auseinandersetzen und teils eine klare Meinung dazu haben, wie mit der politischen Situation umgegangen werden soll. Der Gro?teil der Jugendlichen befürwortet moderate Ma?nahmen, die zwar die Ukraine unterstützen sollen, aber auch deutsche, nationale Interessen mitberücksichtigen. Diese jungen Menschen in Deutschland zeigen eigene Sorgen in Bezug auf den Krieg. Einige Jugendliche gehen jedoch weiter und flüchten sich in Verschw?rungserz?hlungen (insgesamt etwa 15 Prozent). Dies trifft vor allem zu auf junge AfD-W?hler:innen  mit einem Anteil von 40 Prozent, Jugendliche, die sich als sozial ausgeschlossen betrachten und Personen mit niedrigem Bildungsabschluss.

Welches Krisenthema besch?ftigt Jugendliche derzeit am meisten und warum?

Der Ukraine-Krieg dominiert die derzeitigen Sorgen der Jugendlichen. ?ngste in Bezug auf die Folgen von Corona, die Klimakrise oder auch die Inflation sind aber weiterhin auf hohem Niveau. Bereits in der Trendstudie “Jugend in Deutschland” von Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann aus diesem Frühjahr hat sich gezeigt, dass der Ukraine-Krieg die Corona-Pandemie als Hauptsorge abgel?st hat. Unsere Studie zeigt, dass dieser Trend bis heute anh?lt. Die Jugendlichen zeigen in der Befragung ein hohes Ma? an Unsicherheit, was sich auf die Beurteilung der Ursachen sowie den ?richtigen“ Umgang mit dem Krieg auswirkt. Ma?nahmen, die Jugendliche potenziell selbst betreffen - wie die Wiedereinführung der Wehrpflicht - lehnen sie tendenziell ab (51 Prozent).

Welche Strategien entwickeln junge Menschen zur Krisenbew?ltigung? Unterscheiden sie sich von denen der Erwachsenen?

In Bezug auf den Angriffskrieg in der Ukraine haben Jugendliche in Deutschland unterschiedliche Strategien der Krisenbew?ltigung. Einerseits zeigen sie sich solidarisch und m?chten, dass die Ukraine mit moderaten Ma?nahmen unterstützt wird. Andererseits lehnen sie strikte Ma?nahmen gegen Russland und russische Bürgerinnen und Bürger ab. Bei einigen ist au?erdem ein gewisser Patriotismus erkennbar, der sich in einer verst?rkten Wahrung der nationalen Interessen zeigt. Die breite Mehrheit der jungen Menschen identifiziert sich allerdings stark mit der EU: Die Jugendlichen sehen eine gro?e Notwendigkeit eines kollektiven Auftretens Europas, um antidemokratischen Tendenzen entgegentreten zu k?nnen.

K?nnen wir von den Jugendlichen diesbezüglich noch etwas lernen?

Die Krisen, Kriege und Katastrophen in der Gegenwart pr?gen die Zukunftsvorstellungen von Jugendlichen. Unsere Studie zeigt, dass sich die meisten jungen Menschen differenziert mit ihrer Zukunft auseinandersetzen und unterschiedliche Perspektiven mit einbeziehen. Trotz der gro?en Unsicherheiten, mit denen die jungen Menschen konfrontiert werden, bewahren die meisten ein klares Bild darüber, dass es verschiedene Interessen und Perspektiven gibt, die bei der Erarbeitung von L?sungen mit berücksichtigt werden müssen.

Hintergrund zur Studie:

Die Studie "Einstellung Jugendlicher zum Krieg in der Ukraine" wurde im Rahmen des Metavorhabens zur F?rderrichtlinie "Kulturelle Bildung in l?ndlichen R?umen" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert. Für die Studie wurden zwischen dem 24. Juni und dem 26. Juli dieses Jahres 3.240 junge Menschen im Alter von 16 bis 29 Jahren zu ihren Einstellungen zum Ukraine-Krieg befragt. Die Daten wurden im Rahmen einer Online-Befragung und auf Basis eines Open-Access-Panels erhoben und sind quotenrepr?sentativ nach Bundesland und Geschlecht.