Pressemitteilung 2023/108 vom

Soziale Isolation wirkt sich mit gro?er Wahrscheinlichkeit negativ auf die Leistung des Gehirns aus. Bei Menschen, die wenig soziale Kontakte haben und ?lter als 50 Jahre sind, nimmt die Struktur der grauen Hirnsubstanz im Zeitverlauf st?rker ab als bei Personen, die weniger isoliert sind. Zudem wird die kognitive Leistungsf?higkeit schw?cher. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der Universit?tsmedizin Leipzig in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Die Daten wurden im Fachjournal "eLife" publiziert.

Die graue Substanz steuert alle Hirnfunktionen sowie s?mtliche Funktionen des Zentralnervensystems. In ihrer aktuellen Studie haben die Leipziger Wissenschaftler:innen gezeigt, dass bei Menschen ?lter als 50 Jahre und mit wenig sozialen Kontakten eine beschleunigte Abnahme dieser Substanz im Hippocampus und der Hirnrinde stattfindet. Die L?ngsschnittdaten von 1900 Teilnehmer:innen des Forschungsprojekts legen au?erdem nahe, dass Menschen, die ihr soziales Netz bewahren oder ausbauen, ihre Gehirnstruktur und Denkleistung besser erhalten, als solche, die sozial isoliert leben.

?Das Auffinden dieser Effekte bei gesunden Menschen legt einen kausalen Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und einer schnelleren Abnahme der kognitiven Leistungsf?higkeiten nahe. Darüber hinaus konnten wir Hinweise finden, dass diese vom Lebensstil abh?ngige Ver?nderung des Gehirns schon ab dem Alter von 50 Jahren von Bedeutung ist. Deshalb sollten Pr?ventionsma?nahmen gegen den kognitiven Abbau bereits sehr früh starten“, sagt PD Dr. Veronica Witte, Letztautorin der Publikation und Wissenschaftlerin der Universit?tsmedizin Leipzig sowie am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften.

Die soziale Isolation wurde bei den Teilnehmer:innen der Studie mit standardisierten Frageb?gen erfasst. Sie durchliefen eine mehrt?gige umfangreiche Testung, in der ihre medizinische Biografie und der aktuelle Gesundheitsstatus untersucht wurden. Mit einer Kombination kognitiver Tests wurde die Leistung der Proband:innen in Bezug auf Ged?chtnis, Aufmerksamkeit und mentale Flexibilit?t ermittelt. Hochaufl?sende 3-Tesla-MRT-Bilder und computergestützte Auswerteroutinen erfassten die Gehirnstruktur.

Relevanz sozialer Isolation für Demenz

?Die Ergebnisse untermauern die Relevanz sozialer Isolation für Demenz, eine schwere Erkrankung an der weltweit viele Millionen Menschen leiden. Die Studie bietet wichtige Informationen für den Erhalt der Gesundheit der Bev?lkerung und das individuelle Wohl der Menschen. Darüber hinaus k?nnen wir durch unsere Erkenntnisse auf die Bedeutung hinweisen, soziale Isolation effektiv zu bek?mpfen und pr?ventiv gegen Demenz vorzugehen“, sagt die Wissenschaftlerin PD Dr. Witte. Dank der gro?en Stichproben und wiederholten Testungen in der Leipziger Bev?lkerungsstudie LIFE der Universit?t Leipzig konnte der Zusammenhang von sozialer Isolation, Gehirnstruktur und kognitiven Funktionen in besonders hoher Qualit?t untersucht werden. 

Demenz ist eines der gro?en Forschungsgebiete an der Tagesklinik für Kognitive Neurologie am Universit?tsklinikum Leipzig in Kooperation mit dem MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften und dem Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health (ISAP) der Medizinischen Fakult?t. Die Wissenschaftler:innen wollen die Natur des Zusammenhangs von sozialer Isolation und kognitiver Gesundheit künftig weiter unter die Lupe nehmen, um über ein besseres Verst?ndnis der zugrundeliegenden Mechanismen neue Strategien für die Pr?vention und Therapie dementieller Erkrankungen zu entwickeln. Dabei scheinen gesellschaftliche Werte wie Gemeinschaft und Solidarit?t ein Hebel zu sein, soziale Isolation zu vermindern und so kognitives Altern m?glicherweise zu verlangsamen.

Die Studie wurde mit Geldern der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Europ?ischen Union und des Freistaats Sachsen finanziert.  

Originalpublikation in "eLife": Impact of social isolation on grey matter structure and cognitive functions: A population-based longitudinal neuroimaging study. DOI: https://doi.org/10.7554/eLife.83660