Pressemitteilung 2024/102 vom

G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR) sind im menschlichen K?rper allgegenw?rtig und an vielen komplexen Signalwegen beteiligt. Trotz ihrer Bedeutung für zahlreiche biologische Vorg?nge ist der zentrale Mechanismus der G-Protein-Kopplung und die damit einhergehende Signalübertragung bislang nicht verstanden. Einer Forschungsgruppe um Prof. Dr. Peter W. Hildebrand von der Universit?t Leipzig ist es gelungen, den Mechanismus der Signalübertragung durch einen Adrenalin-bindenden Rezeptor auf atomarer Ebene nachzuverfolgen. Mit diesen Ergebnissen k?nnten Forschende zukünftig gezielter Nebenwirkungen bei der Entwicklung von Wirkstoffen umgehen, die mit G-Protein gekoppelten Rezeptoren interagieren. Die Studie wurde jetzt im Fachmagazin "Nature Structural & Molecular Biology" ver?ffentlicht.

Jedes Lebewesen reagiert auf seine Umwelt. Durch einen ?u?eren Reiz werden im K?rper Botenstoffe, wie zum Beispiel Adrenalin, ausgesendet, die an Rezeptoren binden. Die Rezeptoren übertragen das Signal auf weitere Proteine. Dadurch werden Signalkaskaden ausgel?st, die eine Reaktion im Organismus zur Folge haben wie zum Beispiel eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion beim Adrenalin-bindenden Rezeptor. Medikamente sind diesen Botenstoffen oftmals nachempfunden und entfalten ihre Wirkung durch die Interaktion mit Rezeptoren. Nebenwirkungen k?nnen entstehen, wenn der Wirkstoff an einen falschen Rezeptor bindet oder das Signal nicht an das richtige intrazellul?re Protein übertr?gt. Um dies zu verhindern, erforschen Wissenschaftler:innen die Funktionsweise von Rezeptoren. Hildebrand und sein Team vom Institut für Medizinische Physik und Biophysik der Universit?t Leipzig zeigen in der aktuellen Studie, wie die Signalübertragung des β2 adrenergen Rezeptors auf atomarer Ebene erfolgt. Dabei handelt es sich um einen G-Protein-gekoppelten Rezeptor (GPCR). Die Mitglieder dieser Proteinsuperfamilie sind eingebettet in die Zellmembran. 

Das Team nutzte für seine Untersuchungen computergestützte Moleküldynamiksimulationen sowie biochemische und funktionelle Mutationsanalysen. Damit beobachteten sie, wie der Rezeptor funktioniert: Durch Bindung ver?ndert der Rezeptor die r?umliche Gestalt des zellinneren G-Proteins, das daraufhin das Regulatormolekül GDP freisetzt. Im n?chsten Schritt kann dieses G-Protein durch Bindung seines eigentlichen Substrats GTP aktiviert werden und Signalkaskaden in der Zelle ausl?sen. Darüber hinaus hat das Forschungsteam erkannt, dass die genaue Funktion des Rezeptors von der Anordnung diverser flexibler Strukturelemente abh?ngt. Mit klassischen Methoden der Strukturbiologie sind sie nicht charakterisierbar. 

Die computergestützten biophysikalischen Methoden plant Prof. Hildebrand nun auch auf andere Rezeptorsysteme anzuwenden, wie zum Beispiel in der Adipositasforschung, ein Forschungsschwerpunkt an der Universit?tsmedizin Leipzig. ?Spannend sind vergleichende Untersuchungen zur dynamischen Signalübertragung, wenn Medikamente mit unterschiedlichem Wirkstoffprofil zum Einsatz kommen”, erl?utert der Professor für biophysikalische Computersimulationen. 

Prof. Dr. Peter W. Hildebrand forscht seit 2017 zu Rezeptoren an der Medizinischen Fakult?t der Universit?t Leipzig. Von 2008 bis 2014 untersuchte er bereits an der Charité mit Prof. Dr. Klaus-Peter Hofmann und Dr. Patrick Scheerer die Struktur des Photorezeptors Rhodopsin. Mittlerweile arbeitet er auch mit dem Nobelpreistr?ger Prof. Dr. Brian Kobilka und dem Kryoelektronen-Mikroskopiker Prof. Dr. Yiorgo Skiniotis, Stanford University, USA, daran, GPCR-vermittelte Signalübertragungen n?her zu verstehen. Zusammen kl?rten sie kürzlich den Mechanismus der GTP-Bindung an das G-Protein und dessen Aktivierung auf und ver?ffentlichten die Ergebnisse im Fachmagazin "Nature". "Wir verfügen jetzt zum ersten Mal über ein umfassendes Bild des strukturellen Mechanismus der Rezeptor vermittelten Signalübertragung von au?en ins Innere der Zelle", fasst Hildebrand seine Forschung zusammen. ?Diesen Erfolg verdanke ich neben meinen Kooperationspartnern vor allem den talentierten Nachwuchswissenschaftlern Dr. Hossein Batebi und Dr. Guillermo Pérez-Hernández aus meinem Team.“ G-Protein-gekoppelte Rezeptoren stehen an der Universit?t Leipzig auch im Fokus des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1423 ?Structural dynamics of GPCR activation and signaling“ unter der Sprecherschaft von Prof. Dr. Annette Beck-Sickinger.

Tom Goetze

Originaltitel der Ver?ffentlichung in ?Nature Structural & Molecular Biology“ mit Prof. Peter W. Hildebrand als Letztautor:
Mechanistic insights into G-protein coupling with an agonist-bound G-protein-coupled receptor; doi.org/10.1038/s41594-024-01334-2

Originaltitel der Ver?ffentlichung in ?Nature“ mit Prof. Peter W. Hildebrand als Mitautor: 
Time-resolved cryo-EM of G-protein activation by a GPCR; doi: 10.1038/s41586-024-07153-1