Pressemitteilung 2024/025 vom

Wissenschaftler:innen der Universit?tsmedizin Leipzig haben in Kooperation mit einem internationalen Konsortium neue Gene identifiziert, die eine Rolle bei der chronischen Nierenerkrankung spielen k?nnten. Dazu wurden Daten von mehr als 900.000 Menschen analysiert und Effekte gefunden, die sich zum Teil bei Frauen und M?nnern unterscheiden. Diese neuen Erkenntnisse k?nnten dazu beitragen, geschlechtsspezifische Unterschiede bei Risiken und Verl?ufen chronischer Nierenerkrankungen besser zu verstehen sowie m?gliche Ansatzpunkte für passende Behandlungskonzepte liefern. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der renommierten Zeitschrift ?Nature Communications“ publiziert.

Etwa zehn Prozent der Weltbev?lkerung leiden heute unter einer chronischen Nierenerkrankung (CKD). Für Betroffene bedeutet das ein erh?htes Risiko für Nierenversagen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krankenhausaufenthalte – und damit für das Gesundheitssystem eine hohe Belastung. Prognosen zufolge k?nnte sich, bedingt durch den demographischen Wandel einer ?lter werdenden Bev?lkerung, die chronische Nierenerkrankung bis 2040 zu einer der fünf h?ufigsten Todesursachen weltweit entwickeln.

In einer gro? angelegten Studie untersuchten Wissenschaftler:innen der Universit?tsmedizin Leipzig in Kooperation mit weiteren internationalen Studiengruppen genetische Assoziationen zwischen Varianten des X-Chromosoms und sieben ausgew?hlten Parametern der Nierenfunktion bei M?nnern und Frauen. Datengrundlage der Studie waren Blutwerte und genetische Informationen von insgesamt mehr als 900.000 Personen, von denen 80 Prozent europ?ischer Herkunft waren.

?Insgesamt konnten wir 23 Assoziationen feststellen: 16 betreffen die gesch?tzte glomerul?re Filtrationsrate der Niere und sieben die Harns?ure“, erl?utert Studienleiter Prof. Dr. Markus Scholz vom Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie (IMISE) der Universit?t Leipzig. Die glomerul?re Filtrationsrate ist neben der Harns?ure ein zentraler Wert zur Bestimmung der Nierengesundheit. Sie zeigt an, wieviel Blut die Glomeruli – das sind kleine Gef??e im Nierengewebe – pro Zeiteinheit filtern k?nnen.

An sechs Positionen im Genom fanden die Forscher:innen unterschiedliche Effekte bei M?nnern und Frauen. Den neu gefundenen genetischen Effekten konnten die Wissenschaftler:innen funktionell plausible Gene zuordnen. ?Die geschlechtsspezifischen Unterschiede k?nnten durch hormonelle Regulationen der zugeordneten Gene erkl?rt werden“, berichtet Studienanalystin Katrin Horn vom Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie. ?Diese Erkenntnis hilft uns, m?gliche Mechanismen der Krankheitsentstehung und -entwicklung besser zu verstehen“, sagt Prof. Markus Scholz und erl?utert: ?So wei? man beispielsweise jetzt schon, dass die Erkrankung h?ufiger bei Frauen auftritt, sie aber bei M?nnern schneller voranschreitet. Jetzt haben wir geeignete Mechanismen, um diese Ph?nomene weiter zu untersuchen.“

In ihrer Analyse X-chromosomaler Varianten schauten sich die Leipziger Wissenschaftler:innen Mutationen an etwa 270.000 Positionen des Chromosoms an und setzten diese in Beziehung mit den klinischen Nierenparametern. Sie überprüften auch anhand von Gewebedaten, ob und wie die Erbinformationen tats?chlich ausgelesen wurden. Dabei wurde gezielt nach geschlechtlichen Unterschieden gesucht.

?Wir hatten uns bewusst das kompliziertere X-Chromosom zur Analyse ausgesucht, welches bisher nur unzureichend hinsichtlich genetischer Assoziationen untersucht wurde, obwohl es sehr vielversprechend ist, was geschlechtsspezifische Unterschiede bei Erkrankungen betrifft“, erl?utert der Bioinformatiker Prof. Scholz. ?Der Grund hierfür ist, dass bei Frauen zwei dieser Chromosomen vorliegen, aber die Erbinformation nur teilweise genutzt wird und nicht genau verstanden ist, in welcher Weise, welchem Umfang dies geschieht.“

Die von Prof. Scholz und seinem Team für die Studie erarbeitete Methodik, Chromosom X nun tiefgehend zu analysieren und Geschlechtsunterschiede aufzufinden, kann in Zukunft auch von anderen Forscherteams genutzt werden, um Beitr?ge zur geschlechtersensitiven Medizin bei anderen Erkrankungen zu leisten.

Die Studie war eine Forschungsarbeit im Rahmen des internationalen Konsortiums CKDGen zur Erforschung der Genetik von Nierenerkrankungen, welches von Prof. Anna K?ttgen von der Universit?t Freiburg geleitet wird und an dem die Leipziger Universit?tsmedizin als wichtiger Partner beteiligt ist. Eingeflossen sind unter anderem Daten der Leipziger Studien LIFE-Heart, LIFE-Adult, LIFE-Child sowie der Sorbenstudie mit insgesamt etwa 14.000 Datens?tzen. Der wesentliche Teil der Analysearbeiten sowie die Interpretation der Daten wurde in der Arbeitsgruppe von Prof. Scholz durchgeführt.

Originalpublikation in Nature Communications:

"X-chromosome and kidney function: evidence from a multi-trait genetic analysis of 908,697 individuals reveals sex-specific and sex-differential findings in genes regulated by androgen response elements", doi.org/10.1038/s41467-024-44709-1