Pressemitteilung 2024/125 vom

Die angeborene Zwerchfellhernie ist eine gef?hrliche Fehlbildung der Lunge und des Zwerchfells, bei der knapp ein Drittel der betroffenen Babys an der Unterentwicklung der Lungen stirbt. Leipziger Mediziner:innen sind wichtige Fortschritte bei der Erforschung dieser Erkrankung gelungen. Das Team um Dr. Richard Wagner von der Universit?tsmedizin Leipzig fand heraus, dass die gef?hrliche Fehlbildung der Neugeborenen-Lunge mit entzündlichen Prozessen in Verbindung mit dem vermehrten Auftreten von Immunzellen einhergeht. In einer weiteren Studie belegen die Forscher:innen gemeinsam mit Kolleg:innen aus Kanada, dass Komponenten aus Fruchtwasser-Stammzellen eine entzündungshemmende Wirkung entfalten k?nnen. Die aktuellen Ergebnisse sind kürzlich im Fachjournal Science Advances erschienen.

Etwa eines von 2.500 Kindern wird mit einer Zwerchfellhernie geboren. Diese Krankheit verursacht ein Loch im Zwerchfell des F?tus und führt über ungekl?rte Prozesse dazu, dass sich die Lunge bis zur Geburt nicht voll entwickeln kann. Knapp ein Drittel der betroffenen Babys stirbt daran. ?Dass die angeborene Lungenunterentwicklung bei Zwerchfellhernie auf molekularer Ebene in Verbindung mit entzündlichen Prozessen steht, wissen wir, seitdem wir die molekularen Eigenschaften von Stammzellen aus normalen und unterentwickelten Lungen betroffener Patient:innen verglichen haben”, erl?utert PD Dr. Richard Wagner, Assistenzarzt und Forschungsgruppenleiter für Kinderchirurgie der Universit?tsmedizin Leipzig. ?In der Studie konnten wir zeigen, dass die Lungenreifung durch eine medikament?se Therapie mit Dexamethason deutlich verbessert werden kann”, so der Kinderchirurg. Dieses Steroid wird im klinischen Alltag bereits bei Schwangeren eingesetzt, wenn sich eine Frühgeburt abzeichnet. Es sorgt dafür, dass sich die Lunge des F?tus dann noch rechtzeitig bestm?glich entwickelt.

Immunzellen in den unterentwickelten Lungen

?Inzwischen konnten wir in einer weiteren Studie feststellen, dass es vor allem die Epithel-Zellen der Lunge sind, die entzündlich betroffen sind”, so der Wissenschaftler. ?Das sind jene Zellen, die sich an der Oberfl?chenschicht der Lunge befinden und in Kontakt mit dem Fruchtwasser kommen.” Die Entzündung k?nnte erkl?ren, warum die Entwicklung der Lunge stockt. ?Wenn ein Organ w?hrend der Entwicklung mit einer Entzündungsreaktion zu k?mpfen hat, kommen Organdifferenzierung und Wachstum zu kurz”, so Wagner. Im Tiermodell und in menschlichen Lungen von Patient:innen fanden die Forschenden dort spezifische pro-entzündliche Signal-Prozesse vor, die mit einer Anreicherung von sogenannten Makrophagen korrelieren, also mit Fresszellen des Immunsystems. Warum diese vermehrt in die kindliche Lunge wandern und m?glicherweise die Entzündungen ausl?sen, ist noch nicht bekannt.

Zellkomponenten aus Fruchtwasser wirken anti-entzündlich

Von einer etwas anderen therapeutischen Richtung n?hern sich Wissenschaftler:innen in Toronto der Thematik, mit denen die Leipziger Forscher:innen zusammenarbeiten. In einer kürzlich ver?ffentlichten Studie fanden auch sie entzündliche Prozesse und vermehrte Immunzellen im Tiermodell für die angeborene Zwerchfellhernie. Wirksam gegen die entzündlichen Ver?nderungen erwiesen sich sogenannte extrazellul?re Vesikel aus Stammzellen, die die Forscher:innen aus dem Fruchtwasser isoliert und vermehrt hatten. Diese Vesikel sind Zellkomponenten, die von Zelle zu Zelle wandern und dabei komplexe Informationen transportieren – darunter auch genetische Baupl?ne, wie zum Beispiel ?RNA-Partikel“. Die Forschenden stellten im Tiermodell fest, dass wenn sie werdenden Mutter-Tieren solche Vesikel verabreichten, die Entzündung zurückging und sich die Lunge der F?ten wieder normaler entwickeln konnte. Eine m?gliche Therapie mit dieser Methode für Menschen sei jedoch fern: “Dafür muss noch umfassend geprüft werden, wie genau die Vesikel etwa auf andere Organsysteme des F?tus wirken”, so Wagner.

Die Zusammenarbeit mit Forscherteams sowohl in Boston (USA), als auch in Winnipeg und Toronto (Kanada) geht auf die Zeit zurück, in der Dr. Richard Wagner in Nordamerika jeweils anderthalb Jahre als Postdoc zur Lungenunterentwicklung bei Zwerchfellhernie forschte. Seine wissenschaftliche Arbeit auf diesem Gebiet wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, zuletzt im April mit dem Richard-Drachter-Preis von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendchirurgie.

Originalpublikationen: 

Science Advances (2024): Lina Antounians et al.: Fetal hypoplastic lungs have multilineage inflammation that is reversed by amniotic fluid stem cell extracellular vesicle treatment.  https://doi.org/10.1126/sciadv.adn5405 

American Journal of Respiratory Cell and Molecular Biology (2023): Dylong F, Riedel J, Amonkar et al.: R. Overactivated Epithelial NF-κB disrupts lung development in congenital diaphragmatic hernia. doi: 10.1165/rcmb.2023-0138OC.