Pressemitteilung 2022/096 vom

Plastikflaschen, Obstschalen, Folien: Diese leichten Verpackungen aus PET-Kunststoff werden zum Problem, wenn sie nicht recycelt werden. Wissenschaftler:innen von der Universit?t Leipzig haben nun ein hocheffizientes Enzym entdeckt, das PET in Rekordzeit abbaut. Mit dem Enzym PHL7, das die Forscher auf einem Leipziger Komposthaufen fanden, k?nnte biologisches PET-Recycling deutlich schneller als bislang angenommen m?glich werden. Die Ergebnisse wurden jetzt in dem wissenschaftlichen Journal ChemSusChem ver?ffentlicht und als Titelthema ausgew?hlt.

Enzyme werden in der Natur zum Beispiel von Bakterien genutzt, um Pflanzenteile zu zersetzen. Dass einige Enzyme, sogenannte polyesterspaltende Hydrolasen, auch PET abbauen k?nnen, ist schon l?nger bekannt. Als ein besonders effektiver ?Plastikzersetzer“ gilt beispielsweise das Enzym LCC, das 2012 in Japan entdeckt wurde. Nach bislang unbekannten Vertretern dieser biologischen Helfer sucht das Team um den Nachwuchswissenschaftler Dr. Christian Sonnendecker von der Universit?t Leipzig im Rahmen der EU-gef?rderten Drittmittelprojekte MIPLACE und ENZYCLE. Auf dem Leipziger Südfriedhof wurden sie fündig: Die Forscher:innen hatten dort gezielt Proben von Laubkompost genommen und fanden in einer Probe den Bauplan eines Enzyms, das im Labor in Rekordgeschwindigkeit PET zersetzte.

Die Forscher:innen vom Institut für Analytische Chemie hatten sieben verschiedene Enzyme gefunden und untersucht. Der siebte Kandidat mit dem Titel PHL7 erreichte im Labor deutlich überdurchschnittliche Ergebnisse: In den Versuchen gaben die Forschenden PET in Beh?lter mit einer w?ssrigen L?sung, die entweder PHL7 oder LCC, also den bisherigen Spitzenreiter bei der PET-Zersetzung, enthielt. Dann ma?en sie die Menge an Plastik, die in einer bestimmten Zeitspanne abgebaut wurde, und verglichen die Werte miteinander. 

PHL7 doppelt so aktiv wie der bisherige Spitzenreiter

Das Ergebnis: Innerhalb von 16 Stunden zersetzte PHL7 das PET zu 90 Prozent, in der gleichen Zeit schaffte LCC einen Abbau von gerade einmal 45 Prozent. ?Unser Enzym ist also doppelt so aktiv wie der Gold-Standard unter den polyesterspaltenden Hydrolasen“, erkl?rt Sonnendecker. Eine Kunststoffschale, in der im Supermarkt zum Beispiel Weintrauben verkauft werden, lie? sich mit PHL7 in weniger als 24 Stunden zersetzen. Die Forscher fanden heraus, dass ein einziger Baustein des Enzyms für die überdurchschnittlich hohe Aktivit?t verantwortlich ist: An der Stelle, wo andere bereits bekannte polyesterspaltende Hydrolasen einen Phenylalanin-Rest enthalten, tr?gt PHL7 ein Leucin.

Biologisches PET-Recycling weist einige Vorteile im Vergleich zu herk?mmlichen Recyclingmethoden auf. Diese setzen vor allem auf thermische Verfahren, bei denen der Plastikmüll bei hohen Temperaturen eingeschmolzen wird. Dieser Prozess kostet viel Energie und die Qualit?t des Kunststoffs sinkt mit jedem Recyclingzyklus. Enzyme hingegen ben?tigen für ihre Arbeit lediglich eine w?ssrige Umgebung und eine Temperatur von 65 bis 70 Grad Celsius. Ein weiterer Pluspunkt: Sie zersetzen das PET in seine Bestandteile Terephthals?ure und Ethylenglycol, aus denen sich im Anschluss wieder neues PET herstellen l?sst – ein geschlossener Kreislauf entsteht. Bislang wird biologisches PET-Recycling jedoch nur von einer Pilot-Anlage in Frankreich erprobt. 

Umweltfreundliches Verfahren zur Wiederverwendung von Plastik

?Das in Leipzig entdeckte Enzym kann einen wichtigen Beitrag bei der Etablierung von alternativen energiesparenden Plastikrecyclingverfahren leisten,“ sagt Prof. Dr. Wolfgang Zimmermann, der den Forschungsbereich zu enzymbasierten Technologien an der Universit?t Leipzig ma?geblich aufgebaut hat. ?Aufgrund der enormen Probleme, die durch die weltweite Belastung der Umwelt mit Plastikabf?llen entstanden sind, gewinnen umweltfreundliche Verfahren zur Wiederverwendung von Plastik in einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft immer mehr an Bedeutung. Der jetzt in Leipzig entwickelte Biokatalysator hat sich als hochwirksam bei der schnellen Zersetzung von gebrauchten PET-Lebensmittelverpackungen gezeigt und eignet sich für eine Anwendung in einem umweltfreundlichen Recyclingverfahren, bei dem aus den Abbauprodukten wieder neues Plastik hergestellt werden kann.“  

Biologisches Recycling soll kostengünstiger werden

Die Forscher:innen aus Leipzig hoffen, dass das neu entdeckte Enzym PHL7 das biologische Recycling auch in der Praxis weiter voranbringen wird und suchen dafür nach Industriepartnern. Sie sind überzeugt, dass durch die h?here Geschwindigkeit die Kosten für das Recycling deutlich reduziert werden k?nnen. In den kommenden zwei bis drei Jahren soll ein Prototyp entstehen, der es erlaubt, die ?konomischen Vorteile ihres schnellen biologischen Recyclingverfahrens genauer zu beziffern.

Die Wissenschaftler:innen am Institut für Analytische Chemie im Arbeitskreis von Prof. Dr. J?rg Matysik wollen au?erdem die Struktur und die Funktionsweise der Enzyme mittels NMR-Spektroskopie aufkl?ren. Darüber hinaus arbeiten sie an einer neuen Vorbehandlungsmethode, die ein Problem des biologischen Recyclings l?sen soll: Die PET-Zersetzung durch Enzyme funktioniert bislang nur für sogenanntes amorphes PET, das zum Beispiel für Obstverpackungen verwendet wird, nicht aber für Plastikflaschen, die aus sogenanntem gestrecktem PET bestehen. 

Titel der Originalpublikation in ChemSusChem: 
?Low Carbon Footprint Recycling of Post-Consumer PET Plastic with a Metagenomic Polyester Hydrolase”, doi.org/10.1002/cssc.202101062