Pressemitteilung 2023/194 vom

Massenspektrometer sind High-Tech-Maschinen, die in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen. Als hochempfindliche Analyseger?te sind sie in Bereichen wie der medizinischen Diagnostik, der Qualit?tskontrolle von Lebensmitteln oder dem Nachweis gef?hrlicher chemischer Substanzen unverzichtbar. Die Forschergruppe um Dr. Jonas Warneke am Wilhelm-Ostwald-Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der Universit?t Leipzig arbeitet daran, Massenspektrometer so zu modifizieren, dass sie für einen ganz anderen Zweck eingesetzt werden k?nnen: die chemische Synthese neuer Moleküle. Mit diesen so genannten ?pr?parativen Massenspektrometern“ lassen sich chemische Verbindungen auf neue Art erzeugen. Die Forschenden haben damit kürzlich eine neue Verbindung aus einem geladenen Molekülbruchstück und Stickstoff aus der Luft synthetisiert, die vielf?ltige Anwendungsm?glichkeiten für den Aufbau neuer Molekülstrukturen bietet. Ihre neuen Erkenntnisse haben sie in der Fachzeitschrift ?Angewandte Chemie“ ver?ffentlicht. Das von Ihnen gestaltete Journal-Cover visualisiert Aspekte der publizierten Arbeit.

Die Wissenschaftler:innen ?zerbrechen“ molekulare Ionen in einem Massenspektrometer. Die dabei entstehenden Molekülbruchstücke, die chemisch 亚洲通_亚洲通官网¥娱乐网址 aggressiv sind, k?nnen dann im Ger?t gezielt zu neuen Substanzen zusammengesetzt werden. Diese Substanzen werden dann am Ende der Maschine gesammelt und k?nnen aus dem Ger?t entnommen werden, so dass sie für weitere Forschungsarbeiten zur Verfügung stehen. 

Die Entwicklung neuer Methoden, um chemische Bindungen zu brechen und neu zu formen, ist eine der prim?ren Aufgaben der chemischen Grundlagenforschung. ?Wenn eine Bindung in einem geladenen Molekül gebrochen wird, entsteht h?ufig ein chemisch sehr ?aggressives‘ Bruchstück, das wir als reaktives Fragment bezeichnen. Mit etablierten chemischen Synthesemethoden lassen sich diese Fragmente nur schwer kontrollieren. Man kann sie sich wie ungez?hmte Bestien vorstellen, die alles an sich rei?en, was sich ihnen in den Weg stellt. In einem Massenspektrometer gibt es viele M?glichkeiten, Bindungen gezielt aufzubrechen und Fragmente zu erzeugen“, beschreibt Dr. Warneke die Vorg?nge in Massenspektrometern. Die ?Bestien“ finden dabei ihm zufolge besondere Bedingungen vor: In Massenspektrometern herrscht ein Vakuum. Das hei?t, sie finden nichts, was sie angreifen k?nnen. Somit kommt es nicht zu unkontrollierten chemischen Reaktionen. ?Bieten wir dann ein bestimmtes Molekül an, zum Beispiel Stickstoff, der üblicherweise unreaktiv ist und nicht gebunden wird, gibt sich die Bestie damit zufrieden, weil sie keine andere Wahl hat. Auf diese Weise kann man sehr schwer zu bindende Moleküle wie Stickstoff einfach in eine neue Substanz einbauen“, erkl?rt Warneke weiter.

Auf diese Weise hat das Forscherteam bereits in der Vergangenheit reaktive Fragmente zu sehr au?ergew?hnlichen Reaktionen gebracht, zum Beispiel mit Edelgasen, die von allen chemischen Elementen am schwersten zu binden sind. ?Die grunds?tzliche Strategie, chemische Bestien in Massenspektrometern zu kontrollieren, ist nicht neu“, betont Warneke. Sie werde seit Jahrzehnten verwendet, um die Eigenschaften reaktiver Fragmente zu untersuchen. Allerdings konnten die so gefundenen neuen Verbindungen nicht weiter genutzt werden. Massenspektrometer zeigen zwar an, was in ihrem Inneren passiert, aber die neuen Substanzen entstehen nur in winzigen Mengen und k?nnen normalerweise nicht extrahiert werden. Oft werden sie bei der Erzeugung des Signals, das für Analysen verwendet wird, auch einfach wieder zerst?rt. 

Deshalb gehen Forschende aus Experimenten mit Massenspektrometern meist mit ?gro?em Erkenntnisgewinn“, aber ?leeren H?nden“ heraus. ?Sie haben die Bestie unter Kontrolle. Es passiert genau das, was sie wollen, sie sehen das neue Molekül, welches faszinierende Eigenschaften haben k?nnte, und dann ist es weg“, beschreibt Warneke chemische Experimente in herk?mmlichen Massenspektrometern. Die neue Publikation k?nnte diese Sicht auf chemische Reaktionen in Massenspektrometern grundlegend ver?ndern. Das Forscherteam hat aus einem aggressiven Fragment und unreaktivem Stickstoff eine neue Substanz hergestellt und diese mit pr?parativen Massenspektrometern gesammelt, sodass man sie mit dem blo?en Auge sehen, anfassen und weiter damit experimentieren kann. 

Die mit dieser Methode erzeugte Substanzmenge wird noch für l?ngere Zeit auf Anwendungen im Bereich der Dünnschichttechnologie beschr?nkt bleiben. Für diese Anwendungen, etwa bei der Herstellung von Mikrochips, Solarzellen oder biologisch aktiven Beschichtungen, k?nnten sich jedoch schnell ganz neue M?glichkeiten durch pr?parative Massenspektrometrie er?ffnen. Mit den publizierten Ergebnissen hat die Nachwuchsforschergruppe einen wichtigen Meilenstein in ihrem Projekt erreicht, das seit 2020 durch den Freigeist Fellowship der Volkswagenstiftung gef?rdert wird.

Originaltitel der Ver?ffentlichung in der internationalen Ausgabe der Fachzeitschrift ?Angewandte Chemie“:

?Chemical Synthesis with Gaseous Molecular Ions: Harvesting [B12Br11N2]? from a Mass Spectrometer“, DOI: 10.1002/anie.202308600

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