Pressemitteilung 2023/088 vom

Eine Forschungsgruppe der Universit?t Leipzig hat eine neue Methode zur Synthese von cis-Tetrahydrocannabinol (THC) entwickelt – eines Naturstoffes, der Bestandteil der Cannabis-Pflanze ist, der die charakteristische psychoaktive Wirkung verursacht und unter anderem in der Arzneimittelbranche Anwendung finden k?nnte. ?Mit unserer Strategie ist es jetzt m?glich, cis-Tetrahydrocannabinoide herzustellen und sie auf ihre biologische Aktivit?t zu untersuchen“, erkl?rt Forscherin Caroline Dorsch, die ihre neuen Erkenntnisse gemeinsam mit Prof. Dr. Christoph Schneider vom Institut für Organische Chemie im Fachjournal ?Angewandte Chemie“ ver?ffentlicht hat.

Bislang habe es keine M?glichkeit zur einheitlichen Synthese dieser Strukturklasse gegeben, betont sie. Mit ihrer ebenso simplen wie kostengünstigen und nah an die Natur angelehnten Synthesemethode haben die Leipziger Forschenden die Stoffklasse der cis-Tetrahydrocannabinoide für eine breite Anwendung erstmals zug?nglich gemacht. Sie sei bisherigen Methoden klar überlegen, denn diese erforderten viele Schritte und gro?e Mengen an Chemikalien und L?sungsmitteln. Mit der neuen Methode k?nne der Stoff in hoher Gesamtausbeute und exzellenten optischen Reinheiten synthetisiert werden. 

Tetrahydrocannabinol geh?rt zu den in der Cannabispflanze produzierten Phytocannabinoiden. Diese Verbindungen reichern sich vor allem in den Blütenst?nden der weiblichen Pflanzen an. Seit den 1960er Jahren ist bekannt, dass dieses auch die charakteristische psychotrope Wirkung im K?rper hervorruft. Die Forschung an diesem Naturstoff führte zur Aufkl?rung des zugrundeliegenden Mechanismus seiner Wirkung - das endocannabinoide System. So bezeichnet man den Signaltransduktionsweg im K?rper, auf den Tetrahydrocannabinol Einfluss hat und der die charakteristische Wirkung verursacht, etwa beim Rauchen von Marihuana.

?Das Beeinflussen dieses Signalweges ist von pharmazeutischer Relevanz. Cannabinoide k?nnen eine Vielzahl von Effekten im K?rper ausl?sen, zum Beispiel als Schmerzmittel, Antipsychotikum oder Antiepileptikum. Allerdings befinden sich aktuell nur wenige Cannabinoide auf dem pharmazeutischen Markt. Die Verschreibung von natürlichen Cannabisprodukten gilt bisweilen als Ausnahme“, sagt Dorsch. Der Besitz, Anbau und Vertrieb von narkotischen Cannabis-Produkten ist in Deutschland laut Bet?ubungsmittelgesetz verboten. Als narkotisch werden die Proben klassifiziert, die trans-konfigurierte Cannabinoide beinhalten. Neueste Studien ergaben, dass sich cis-THC vor allem in Teilen der Cannabis-Pflanze anreichert, in welchen die verwandten trans-Verbindungen fehlen. Dies führte bislang zur Klassifizierung solcher Proben als textiler oder nicht-narkotischer Hanf. Allerdings weist cis-THC eine milde psychotrope Aktivit?t auf.

THC z?hlt zu den chiralen Verbindungen. Chiralit?t beschreibt eine r?umliche Anordnung von Atomen in einem Molekül, bei der die Spiegelung nicht zur Selbstabbildung führt. Bild und Spiegelbild solcher Verbindungen werden als Enantiomere bezeichnet und haben im menschlichen Organismus h?ufig unterschiedliche Wirkungen. Die Natur kann die gezielte Synthese dieser Verbindungen leicht steuern. Unter Laborbedingungen ist das jedoch eine gro?e Herausforderung, die in der vorliegenden Arbeit erfolgreich bew?ltigt werden konnte. Das neu entwickelte Verfahren kommt zudem mit sehr geringen Mengen des Katalysators aus, was auch aus ?kologischer Sicht im Hinblick auf Energie- und Ressourceneinsparung sowie Nebenproduktminimierung sehr attraktiv ist. 

cis-THC hat aufgrund seiner milderen psychotropen Aktivit?t bisher weniger im Fokus der Forschung gestanden als das potentere trans-THC. Nichtsdestotrotz teilen sich auch andere Naturstoffe, die nicht aus Cannabis stammen, mit cis-THC ein Grundgerüst. Diese stellen wertvolle Verbindungen dar, deren vielversprechendes pharmakologisches Aktivit?tsprofil noch nicht vollst?ndig erschlossen ist. Durch die nun pr?sentierte neue Strategie ist ein wichtiger Grundstein zur genaueren Untersuchung dieser Stofffamilie gelegt worden. Mittels dieser Methode konnten neben dem cis-THC eine Reihe weiterer natürlicher und nicht natürlicher Vertreter dieser Strukturklasse hergestellt werden.

Originaltitel der Publikation in "Angewandte Chemie":

"Br?nsted Acid Catalyzed Asymmetric Synthesis of cis-Tetrahydrocannabinoids", doi.org/10.1002/ange.202302475.