Pressemitteilung 2022/039 vom

Der Krieg in der Ukraine sowie die damit verbundenen Sanktionen des Westens gegen Russland und vor allem gegen den russischen Pr?sidenten Wladimit Putin wirbeln die Finanzm?rkte weltweit durcheinander. Besonders tiefgreifende Einschnitte bringt für Russland dessen Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT mit sich. Aber auch die Deutschen werden die Sanktionen zu spüren bekommen. Eine Einordnung der Situation von Prof. Dr. Gunther Schnabl, dem Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universit?t Leipzig.

Was bedeutet der Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT für das Land selbst, aber auch für die westlichen L?nder, vor allem für Deutschland?

Unser Wohlstand basiert auf internationaler Arbeitsteilung und damit internationalem Handel. Mit dem Zahlungssystem SWIFT k?nnen internationale Zahlungen schnell, sicher und effizient abgewickelt werden. Ein Ausschluss auf SWIFT erschwert den internationalen Handel. Bei einem kompletten Ausschluss aus SWIFT k?nnte Russland zumindest kurzfristig keine Rohstoffe mehr exportieren und keine Güter mehr beispielsweise aus Deutschland importieren. Beide Seiten würden getroffen. Da Rohstoff- und Energieimporte für die westlichen Industriel?nder sehr wichtig sind, hat man diese von die SWIFT-Boykott ausgenommen. Russland k?nnte die SWIFT-Blockade für Importe über ein eigenes Zahlungssystem oder auch mit Hilfe von Bitcoin umgehen. 

Die Sanktionen sollten vor allem Wladimir Putin und seine Unterstützer:innen treffen. Ist das mit diesem Schritt tats?chlich gelungen?

Viele L?nder einschlie?lich der Schweiz haben die Verm?gen von einflussreichen Russen eingefroren. Allerdings dürften sowohl Wladimir Putin als auch die Oligarchen vorbereitet gewesen sein. Sie werden noch ausreichend Rückzugsm?glichkeiten in Russland oder in L?ndern haben, die sich nicht an den Sanktionen beteiligen. Sanktionen haben in der Vergangenheit meist nicht das gewünschte Ziel erreicht, weil der Zusammenhalt in den sanktionierten L?ndern gest?rkt wurde und die Sanktionen mit der Zeit umgangen wurden. Das wei? auch Wladimir Putin, der China als potenziellen Partner in der Hinterhand hat. China ist seit l?ngerem Ziel von Handelsbeschr?nkungen durch die USA.

Kann es am Ende sein, dass uns die Sanktionen angesichts unserer Abh?ngigkeit von russischen Energieimporten h?rter treffen als Russland?

Viele L?nder haben Sanktionen gegen Russland eingeleitet, sodass das Land besonders stark gesch?digt wird. Für Deutschland dürften die Folgen weniger stark sein. Russland rangiert auf der Liste der Handelspartner von Deutschland mit ca. 60 Mrd. Euro Umsatz auf Platz 13, noch hinter der Tschechischen Republik. Deutschland kann Energie und Rohstoffe über die mittlere Frist auch von anderswo beziehen, wenn auch wohl zu h?heren Preisen. Die Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die globalen Energie-, Rohstoff- und Lebensmittelpreise sind jedoch nicht zu untersch?tzen. Nachdem die Inflation in Deutschland bereits deutlich gestiegen ist, dürfte diese weiter steigen. 

Welche Gegenma?nahmen k?nnte Putin jetzt verh?ngen?

Der russische Pr?sident k?nnte den Import von Industriegütern aus Deutschland stoppen oder mit Z?llen belegen. Doch das würde die Inflation in Russland weiter nach oben treiben. Er k?nnte auch die Energieexporte einschr?nken. Doch dadurch würde die wichtigste Einkommensquelle wegbrechen. Derzeit profitiert Russland sogar noch von steigenden Energie- Rohstoff- und Weizenpreisen. Wenn China statt Westeuropa die russischen Rohstoffe kaufen würde, dann würde Chinas Nachfrage auf den Weltm?rkten sinken. Die freiwerdenden Kapazit?ten k?nnten von Westeuropa nachgefragt werden. Auch auf die internationalen Finanzm?rkte, die zu einen Hauptschauplatz des neuen kalten Kriegs geworden sind, hat Putin wenig Einfluss. Sein wichtigstes Drohpotential sind die Atomwaffen. 

Durch die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland werden starke Erschütterungen an den Finanzm?rkten erwartet. Welche k?nnten das sein und wie nachhaltig k?nnten diese ausfallen?

Die Finanzm?rkte scheinen derzeit der Schwerpunkt der Sanktionen zu sein. Man spricht von ?Finanzmarktwaffen“, die überwiegend Russland treffen, aber auch einige europ?ische Banken mit starkem Russlandgesch?ft wie die UniCredit. Die SWIFT-Sanktionen haben die russischen Banken getroffen, die nicht mehr über ihre Anlagen im Ausland verfügen k?nnen. Es hat einen Run auf deren Geldautomaten eingesetzt. Russland h?lt zwar gro?e internationale Devisen- und Goldreserven von etwa 630 Milliarden Euro (davon 132 Mrd. in Gold), die jedoch im Zuge von Sanktionen gegen die russische Zentralbank zu wichtigen Teilen eingefroren wurden. Die russische Zentralbank kann deshalb nicht gegen eine Abwertung des Rubel intervenieren, so dass der Rubel abgestürzt ist. Die Abwertung des Rubels treibt die Inflation in Russland nach oben. M?glicherweise hat Wladimir Putin die Finanzmarktaspekte des Krieges untersch?tzt.

Wie ordnen Sie die Ukraine-Krise in das globale wirtschaftliche und politische Umfeld ein?

Die westlichen Industriel?nder k?nnen seit l?ngerem hohe Ausgabenverpflichtungen nur noch mit Hilfe umfangreicher Staatsanleihek?ufe der Notenbanken aufrechterhalten. Das hat zu anhaltend lockeren Geldpolitiken geführt, die das Wachstum l?hmen und negative Verteilungseffekte haben. Der Westen ist wirtschaftlich und politisch geschw?cht, w?hrend Russland hohe Rücklagen gebildet und seine Armee modernisiert hat. Anhaltend lockere Geldpolitiken k?nnen zu steigenden Energie- und Rohstoffpreisen führen, da sie die Nachfrage hochhalten und die Anleger in Sachwerte einschlie?lich Rohstoffen treiben. Zudem haben die rohstoffexportierenden L?nder hohe Devisenreserven, die bei hoher Inflation in den USA und Europa real entwertet werden. Das schafft einen Anreiz für die Rohstoffexporteure durch h?here Preise Wertverluste auszugleichen. Eine ?hnliche Konstellation ging in den 1970er Jahren mit einem milit?rischen Konflikt im Nahen Osten einher. Gewinner der derzeitigen Situation scheinen vor allem die Rüstungsunternehmen und die Fracking-Industrie in den USA zu sein. Die meisten Menschen in aller Welt verlieren durch Inflation.

Hinweis:
Prof. Dr. Gunther Schnabl ist einer von rund 200 Expertinnen und Experten der Universit?t Leipzig, auf deren Fachwissen Sie mithilfe unseres Expertendienstes zurückgreifen k?nnen.