Pressemitteilung 2024/110 vom

Eine optimale Ern?hrung kann im Spitzensport den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen, sagt Dr. Juliane Heydenreich, Professorin für Experimentelle Sportern?hrung an der Sportwissenschaftlichen Fakult?t der Universit?t Leipzig. Gerade in Ausdauersportarten spiele die Ern?hrung eine wichtige Rolle, individuelle Bedürfnisse und Trainingsphasen erforderten angepasste Ern?hrungsstrategien, um Leistungsf?higkeit und Regeneration zu f?rdern. Im Interview warnt Heydenreich vor der Gefahr dopingrelevanter Verunreinigungen in Nahrungserg?nzungsmitteln, die bis zu 30 Prozent betreffen k?nnten. Auch Fleisch kann Rückst?nde anaboler Steroide enthalten. Sie empfiehlt den so genannten Food-First-Ansatz.

Kann die Ern?hrung bei Spitzensportler:innen den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage ausmachen?

Prof. Dr. Juliane Heydenreich: Die Ern?hrung ist ein Baustein von vielen, der einen Einfluss auf die sportliche Leistungsf?higkeit hat. Neben der Ern?hrung spielen viele Faktoren eine Rolle, allen voran das im Vorfeld absolvierte Training. Aber auch die Psyche, die Ausrüstung, die Technik und Taktik sind entscheidende Bausteine. Eine ausgewogene, bedarfsdeckende Ern?hrung kann allerdings Sportler:innen dabei unterstützen, das Risiko für krankheitsbedingte Trainingsausf?lle zu reduzieren, was sich langfristig f?rderlich auf die sportliche Leistungsf?higkeit auswirkt. Zudem kann eine optimale Ern?hrung vor und w?hrend eines Wettkampfs die Leistung positiv beeinflussen. Wobei hier anzumerken ist, dass der Einfluss der unmittelbaren Wettkampfern?hrung für bestimmte Sportarten, etwa dem Ausdauersport, gr??er ist als für andere Sportarten.

Bei Sportarten, wo es entscheidend ist, sich in kurzer Zeit m?glichst vollst?ndig zu regenerieren, zum Beispiel bei Vor- und Endl?ufen in der Leichtathletik, kann die Ern?hrung ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Leistungsf?higkeit sein. Eine optimale Ern?hrung kann also den Unterschied machen, vor allem im Leistungssport mit einer sehr hohen Leistungsdichte k?nnen schon kleine Effekte über Sieg und Niederlage entscheiden. Aber am Ende ist die Ern?hrung nur ein Teil des Puzzles, was am Ende zusammen passen muss. Nichtsdestotrotz denke ich, dass viele Sportler:innen in Bezug auf die Ern?hrung noch Defizite haben und ein hohes Potential zur Verbesserung besteht.

Gibt es Unterschiede, etwa zwischen L?ufer:innen, Schwimmer:innen und T?nzer:innen, in Bezug auf die optimale Ern?hrung?

Ja, der Bedarf an Energie und N?hrstoffen ist zwischen den Sportler:innen sehr unterschiedlich. Dies h?ngt vor allem vom Gesamtenergieverbrauch ab, der in Abh?ngigkeit des Trainingsumfangs, der Trainingsintensit?t und der Art der Belastung variiert. So haben Ausdauersportler:innen, wie etwa das Radfahren und Laufen, meist einen h?heren Energiebedarf, da teilweise mehrfach am Tag mit einer relativ gro?en Belastungsdauer und -intensit?t trainiert wird und ?zyklische“ Belastungsformen überwiegen. Bei anderen Sportarten gibt es meist einen h?heren Anteil von Kraft- und/oder Schnelligkeitstraining. Dort sind die Belastungszeiten meist kürzer und der Energieverbrauch insgesamt geringer.

Weiterhin ist es entscheidend, in welcher Trainingsphase sich der oder die Sportler:in befindet, beziehungsweise welches Trainingsziel verfolgt wird. Der Energiebedarf unterscheidet sich meist zwischen den Trainingsphasen. Das hei?t: auch innerhalb einer Saison kann der oder die Sportler:in unterschiedliche Bedarfe haben. Zudem muss man sich immer anschauen, was das langfristige Ziel in Bezug auf das K?rpergewicht beziehungsweise die K?rperzusammensetzung ist, weil dies auch einen Einfluss auf die Energiebedarfsberechnung hat, etwa in Bezug auf den Anteil der Muskel- oder Fettmasse. In einigen Sportarten, etwa beim Ausdauersport, ist es vorteilhaft, auf eine kohlenhydratreiche Ern?hrung zu setzen, in anderen Sportarten hingegen spielen Kohlenhydrate keine so gro?e Rolle. Daher muss der Energie- und N?hrstoffbedarf immer individuell und in Abh?ngigkeit der Trainingsphase beziehungsweise des übergeordneten Trainingsziels geprüft werden.

Was empfehlen Sie Spitzensportler:innen, bei denen die Nervosit?t auf den Magen schl?gt?

Im Leistungssport treten sehr h?ufig gastrointestinale Beschwerden auf. Zum Einen bedingt durch die Nervosit?t, besonders vor dem Wettkampf, zum Anderen treten sie auch sehr h?ufig w?hrend einer Belastung auf. Das ist insbesondere bei Sportarten mit sehr vielen Erschütterungen der Fall. Da es jedoch auch wichtig ist, den K?rper mit ausreichend Energie und Kohlenhydraten zu versorgen, sollten Sportler:innen nicht komplett auf die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme verzichten. Meist ist es m?glich, die Energie- und N?hrstoffzufuhr über die Getr?nkezufuhr zu steuern, wenn keine feste Nahrung verzehrt werden kann. Beispielsweise durch den Konsum von Sportgetr?nken. Manchmal kann noch feste Nahrung aufgenommen werden – hier empfehlen wir dann viele kleinere Mahlzeiten, die leicht verdaulich sind, also einen geringen Ballaststoffanteil haben.

Meistens wissen die Sportler:innen, was sie gut vertragen und was nicht. Wichtig w?re, dass sie das im Vorfeld auch immer ausprobieren, das kann bei einem weniger wichtigen Wettkampf sein oder vor oder w?hrend einer intensiven Trainingseinheit. Wenn wirklich gar keine Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme m?glich ist, dann empfehlen wir, falls es umsetzbar ist, sogenannte Kohlenhydrat-Mundspülungen, auf Englisch ?mouth rinsings“, vor und w?hrend des Wettkampfes durchzuführen. Es wird dabei eine kohlenhydrathaltige L?sung, etwa ein Sportgetr?nk, in den Mund genommen, dann 10 Sekunden im Mund gespült und dann wieder ausgespuckt. Dadurch erfolgt eine Aktivierung des zentralen Nervensystems, was wiederum positive Effekte auf die sportliche Leistungsf?higkeit haben kann.

Darf man wirklich keine Mohnbr?tchen essen, da dies als Doping nachgewiesen werden k?nnte? Oder gibt es andere Lebensmittel, das man besser nicht essen sollte?

Es gibt immer wieder Lebensmittel, die natürlicherweise Substanzen enthalten, die auf der Dopingliste stehen und/oder w?hrend des Herstellungs- oder Verarbeitungsprozesses dopingrelevant verunreinigt werden. Ein Beispiel dafür ist tats?chlich Mohn, das durch Kontamination bei der Ernte Spuren von Morphin enthalten kann. Die enthaltene Menge ist von der Sorte, der Herkunft und des Verarbeitungsprozesses abh?ngig. Meist sind die Mengen relativ gering, so dass es keine Effekte auf die Gesundheit und/oder Leistungsf?higkeit gibt. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass es bei Sportler:innen zu einer positiven Dopingprobe kommen kann. Ein weiteres Beispiel ist Fleisch, das Rückst?nde von anabolen Steroiden enthalten kann. Im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking wurde Deutschen Sportler:innen durch die Stiftung Nationale Anti Doping Agentur Deutschland, NADA, beispielsweise empfohlen, vor Ort kein Fleisch zu verzehren. Viel gr??er ist das Risiko einer positiven Dopingprobe allerdings durch den Verzehr von Nahrungserg?nzungsmitteln – je nach Studie finden wir Werte zwischen zehn und 30 Prozent der Nahrungserg?nzungsmittel, die dopingrelevant kontaminiert sind. Es wird gesch?tzt, dass sechs bis neun Prozent aller positiven Dopingtests auf kontaminierte Nahrungserg?nzungsmittel zurückzuführen sind. Daher empfehlen wir Leistungssportler:innen immer zun?chst einen sogenannten Food-First-Ansatz. Nahrungserg?nzungsmittel sollten nur dann, und auch nur zeitlich begrenzt, eingenommen werden, wenn der Bedarf nicht durch die allgemeine Ern?hrung abgedeckt werden kann und wenn tats?chlich auch Evidenz vorhanden ist, dass es eine positive Wirkung auf die Leistungsf?higkeit gibt.

Weiterhin sollten Leistungssportler:innen auf getestete Produkte zurückgreifen, zum Beispiel die K?lner Liste, um das Risiko der Einnahme eines verunreinigten Nahrungserg?nzungsmittels zu minimieren. Diese Liste enth?lt Nahrungserg?nzungsmittel, die auf Dopingsubstanzen getestet wurden. Da immer der oder die Sportler:in in der Pflicht ist, im Falle eines positiven Dopingtests nachzuweisen, dass er oder sie unschuldig ist, wird der Nachweis durch ein verunreinigtes Nahrungsmittel oder Nahrungserg?nzungsmittel natürlich sehr schwer, beziehungsweise unm?glich. Daher gehen viele Sportler:innen lieber auf Nummer sicher und verzichten auf risikobehaftete Lebensmittel und Nahrungserg?nzungsmittel.

 

Hinweis an Medienvertreter:innen:

Prof. Dr. Juliane Heydenreich ist eine von rund 200 Expert:innen der Universit?t Leipzig, auf deren Fachwissen Sie mithilfe unseres Expert:innen-Netzwerks zurückgreifen k?nnen.