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Drei am Mittwoch, den 31. Januar 2024, in den Fachzeitschriften Nature und Nature Ecology & Evolution erschienene Studien unter Mitwirkung der AG Historische Anthroposph?ren des LeipzigLab leisten einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Pal?oanthopoz?ns. So konnte mit einem breiten Spektrum modernster Methoden nachgewiesen werden, dass Homo sapiens bereits vor rund 45.000 Jahren in der Ilsenh?hle Ranis/Thüringen anwesend gewesen ist.

Drei am Mittwoch, den 31. Januar 2024 in den Fachzeitschriften Nature und Nature Ecology & Evolution erschienene Studien unter Mitwirkung der AG Historische Anthroposph?ren des LeipzigLabs leisten einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Pal?oanthopoz?ns.

So konnte mit einem breiten Spektrum modernster Methoden nachgewiesen werden, dass Homo sapiens bereits vor rund 45.000 Jahren in der Ilsenh?hle Ranis/ Thüringen anwesend gewesen ist. Dies stellt somit das ?lteste Auftauchen von Homo sapiens im n?rdlichen Mitteleuropa dar – zu einer Zeit, als in Südwesteuropa noch Neandertaler lebten. Die Menschen bewegten sich wohl in nur kleinen Gruppen durch eine kaltklimatische, tundra-artige Landschaft und besiedelten zu dieser Zeit wahrscheinlich schon einen Raum vom heutigen Polen und Tschechien bis nach England. Dies l?sst sich unter Vorbehalt anhand typischer Steinger?teindustrien festmachen, welche in diesem Gro?gebiet auftauchen und für die die Ilsenh?hle Ranis eine Typuslokalit?t darstellt. Weitere Studien werden Licht auf die Verbreitungskarte dieser frühen modernen Menschen in Mitteleuropa werfen, deren Besiedlung nun in der Ilsenh?hle erstmals genau datiert werden konnte. Die damaligen Lagerpl?tze in der H?hle selbst sind durch kurze Aufenthalte gekennzeichnet, an denen sich die Menschen mit gro?en Karnivoren, wie etwa H?hlenhy?nen und-b?ren, abwechselten.

Ursprünglich ging die Forschung davon aus, dass Homo sapiens in einer recht gro?en Welle vor rund 40.000 Jahren vor heute nach Mitteleuropa einwanderten. Die neuen Untersuchungen zeigen nun ein anderes Bild auf: schon einige Tausend Jahre vorher zogen kleine Gruppen anatomisch moderner Menschen nach Europa, zu einem Zeitpunkt, an dem subarktische Bedingungen herrschten wie mittels Sauerstoffisotopenanalysen an Pferdez?hnen in Ranis ermittelt werden konnte. Dadurch wird eine erstaunlich frühe Anpassung der Spezies an diese kalten Klimate belegt. Es scheint sich damit zu best?tigen, was die Forschung schon lange anhand der diversen Steinger?teinventare dieser Zeit vermutete, n?mlich dass wir es mit einem Flickenteppich genetisch variabler Populationen im Europa dieser Zeit zu tun gehabt haben müssen. Die Steinwerkzeuge sind meist die einzigen materiellen Hinterlassenschaften einer Fundstelle und stehen mehrheitlich mit der Jagd in Verbindung. Dazu geh?ren in Ranis Klingenspitzen, die z.B. als Projektile von Speeren dienten, sowie gro?e, beidseitig gearbeitete Messer. Das Jagdwild setzte sich vor allem aus den Herdentieren der tundren-artigen Steppenlandschaft zusammen, vorwiegend Rentiere und Pferde. Wom?glich war es gerade der Reichtum der Herdentiere in der Mammutsteppe, der die Menschen, vielleicht in Form saisonaler Hunting Trips in den Norden lockte. Eine ganz erstaunliche Beziehung scheinen diese frühen europ?ischen Homo sapiens hingegen mit ihren vermeintlichen Konkurrenten gepflegt zu haben, den gro?en Raubtieren. Es ist bezeichnend, dass die Klingenspitzen dieser arch?ologischen Kulturgruppe fast ausschlie?lich in Hy?nenhorsten zu finden sind. Offenbar haben sich die Menschen mit diesen Beutegreifern an den Pl?tzen abgewechselt, aber auch die Fleischvorr?te, die Hy?nen für Ihre Nachwuchs angelegen, k?nnten eine begehrte Beute der Menschen gewesen sein. Einige Forschende vertreten die Meinung, dass zwischen den damaligen Menschen und Hy?nen eine besondere Interaktion geherrscht haben mag, die über pure Nahrungskonkurrenz hinausging.

Diese neue gewonnen Einblicke hinsichtlich der geographischen Verbreitung, der Mensch-Umwelt Interaktionen und Klimaanpassungsf?higkeit der ersten anatomisch modernen Menschen in Mitteleuropa stellen einen Meilenstein im Verst?ndnis der damaligen Lebensrealit?ten und somit des Pal?oanthropoz?ns im Allgemeinen und der Pal?oanthroposph?re des untersuchten Gebietes dar.

 

Links zu den Artikeln:

Mylopotamitaki et al. 2024: https://doi.org/10.1038/s41586-023-06923-7

Pederzani et al., 2024: https://doi.org/10.1038/s41559-023-02318-z

Smith et al.2024: https://doi.org/10.1038/s41559-023-02303-6

Zum Begriff des Pal?oanthropoz?ns:

Sowohl medial als auch wissenschaftlich wird die Bezeichnung Anthropoz?n mittlerweile als Sinnbild für eine anthropogen überformte und übernutzte Erde genutzt. Die Einführung des Anthropoz?ns als offizielle geologische Epoche soll dem Umstand Rechnung tragen, dass das Handeln des Menschen bereits seit einiger Zeit entscheidende Auswirkungen auf ?kologische, physikalische, chemische und atmosph?rische Prozesse auf der Erde hat. Bisher gibt es keine formelle Festlegung auf den Beginn dieser Epoche. Am wahrscheinlichsten ist aktuell jedoch eine Einigung auf das Jahr 1950, da ab diesem Zeitpunkt auf globaler Ebene radioaktive Niederschl?ge identifizierbar sind. Diese k?nnen stellvertretend für die ?gro?e Beschleunigung“ der industriellen und landwirtschaftlichen Aktivit?t, sowie den raschen Anstieg der Bev?lkerung, des Ressourcenverbrauchs und des Artensterbens stehen. Da jedoch bereits vor 1950 eine erhebliche Einflussnahme des Menschen auf die Erdsysteme existierte, wurde für diese Zeit der Begriff Pal?oanthropoz?n vorgeschlagen, dessen Beginn sehr bewusst nur vage mit dem Auftauchen der Gattung Homo vor ca. 2,5 Millionen Jahren datiert wird. W?hrend dieses Zeitraumes ist der Grad der anthropogenen ?berformung sowohl r?umlich als auch zeitlich sehr variabel, mit einem deutlichen globalen Anstieg ab der Jungsteinzeit (Neolithikum) im mittleren Holoz?n, ca. 7000 Jahre vor heute. Der weitaus gr??ere Teil des Pal?oanthropoz?ns befindet sich allerdings im Pleistoz?n (ca. 2,5 Millionen bis ca. 12000 Jahre vor heute), in welchem sehr niedrige Bev?lkerungsdichten und j?ger-sammlerische Lebensweisen einen nur geringen Fu?abdruck im ?Einklang mit der Natur“ nahelegen. Ein Hauptanliegen der Forschung zum Pal?oanthropoz?n ist somit eine ?berprüfung dieser These, indem versucht wird, die Gr??e und Intensit?t der vereinzelten menschlichen Wirkungskreise, also der Pal?o-Anthroposph?ren zu rekonstruieren. Spezifische Forschungsdesiderate sind Migration, genetische Vielfalt, Ern?hrungsgewohnheiten und deren initiale Beeinflussung der pflanzlichen und tierischen Artengemeinschaften, sowie technologische Anpassungen an sich wandelnde Klima- und Umweltbedingungen.