Pressemitteilung 2017/128 vom

Im April hat Prof. Dr. László Székelyhidi begonnen, das Geld auszugeben, das er vom Europ?ischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) zugesprochen bekommen hat. ?ber die n?chsten fünf Jahre verteilt kann er im Rahmen des ERC-Grants 1,86 Millionen Euro einsetzen, um zwei Postdoktoranden und drei Doktoranden zu bezahlen, die ihn bei seiner Forschung am Mathematischen Institut der Universit?t Leipzig unterstützen werden. "Dabei geht es um die Beschreibung von turbulenten Str?mungen", umrei?t er den Hauptansatz seiner Arbeit. Er will mit seinen Mitstreitern berechnen, welche Regelm??igkeiten es bei diesem Ph?nomen gibt. "Turbulente Str?mungen sind chaotisch, aber es gibt statistische Gesetzm??igkeiten." Diese gelte es mathematisch zu erfassen.

Sein Interesse an den turbulenten Str?mungen erkl?rt Prof. Székelyhidi damit, dass sie Beispiele für Symmetriebrechungen seien. "Symmetriebrechungen sind in der Mathematik, aber auch in der Kunst und der Musik wahnsinnig wichtig", erl?utert er. In der Mathematik werde Symmetrie auch über die Zahl der Freiheitsgrade ausgedrückt, die eine Form oder ein K?rper habe. "Die symmetrischste Form ist der Kreis, der sehr wenige Freiheitsgrade hat." Turbulente Str?mungen dagegen haben sehr viele Freiheitsgrade. "Ich interessiere mich für unendliche Freiheitsgrade - falls es so etwas überhaupt gibt."

Vom G?mb?c fasziniert

Fasziniert ist Székelyhidi deshalb auch von der Form des G?mb?c. Der russische Mathematiker Wladimir Igorewitsch Arnold (1937 - 2010) hatte diesen dreidimensionalen K?rper mit jeweils nur einer stabilen und einer labilen Gleichgewichtslage bereits theoretisch berechnet, aber erst 2006 konnten die ungarischen Wissenschaftler Gábor Domokos und Péter Várkonyi einen G?mb?c - was sich aus dem Wort G?mb für Kugel ableitet - tats?chlich produzieren. Wird der G?mb?c auf einer Fl?che abgelegt, bewegt er sich immer in die stabile Gleichgewichtslage - und das allein aufgrund seiner Form. Dabei ist der G?mb?c h?chst sensibel: Wird nur ein hundertstel Millimeter von der K?rpermasse entfernt, verliert er seine selbst aufrichtende Funktion. Soll ein G?mb?c dennoch eine Widmung oder ein Datum tragen, muss er v?llig neu errechnet werden. Im Juli 2015 hielt der ungarische Mathematiker Gábor Domokos an der Universit?t Leipzig einen Vortrag im Rahmen des Felix-Klein-Kolloquiums gehalten. Anschlie?end schenkte der Wissenschaftler der Mathematischen Sammlung einen G?mb?c mit der Nummer 1409, dem Gründungsjahr der Universit?t.

Mathematik in die Wiege gelegt

Das Interesse an der Mathematik bekam Székelyhidi praktisch in die Wiege gelegt. 1977 wurde er als Sohn eines Mathematikers und einer Mathematikerin im ungarischen Debrecen geboren. "Meine Eltern haben mich allerdings nie in Richtung Mathematik gedr?ngt", unterstreicht er. Doch es gab in Ungarn au?erschulische Aktivit?ten wie etwa Mathematik-Kreise, an denen er sich wie selbstverst?ndlich beteiligte. Auch sein vier Jahre jüngerer Bruder wurde Mathematiker - "offenbar gibt es da einen genetischen Fehler in der Familie", sagt er lachend. Dabei dachte er zwischenzeitlich sogar einmal daran, Musiker zu werden. "Von einer Karriere als Berufsmusiker haben mich meine Eltern aber erfolgreich abgehalten, was sicher gut war", sagt er. Geige spielt er bis heute noch leidenschaftlich. "Für einen Profimusiker h?tte es aber sicher nicht gereicht."

In Debrecen besuchte er acht Jahre lang die Grundschule, war dort auch ein Jahr lang auf dem Gymnasium. Es gab aber auch Auslandsaufenthalte, die durch seinen Vater bedingt waren. In Hamburg und Kuwait war dieser als Gastdozent engagiert, was für die sp?tere Entwicklung seines Sohnes Auswirkungen hatte. "In Kuwait habe ich den Schulabschluss nach dem englischen Schulsystem gemacht", erinnert er sich. Was für Konsequenzen dies für seinen weiteren Weg haben sollte, ahnte er damals sicher nicht.

Denn eigentlich wollte er in Hamburg sein Studium beginnen, an das er sich gut erinnerte, nachdem sein Vater dort als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung gearbeitet hatte. Doch seine Bewerbung wurde abgelehnt, weil er - mit dem englischen Schulabschluss - nicht die geforderten Kriterien erfüllte. "Weil es für Hamburg nicht gereicht hat, wurde es Oxford", sagt er heute verschmitzt dazu, was letztlich die Wahl seines Studienortes entschied.

Dass er dann doch in Deutschland landete, war seinen Angaben nach reiner Zufall. Durch Mundpropaganda sei er auf das Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften aufmerksam geworden. Dort arbeitete er mit Prof. Dr. Stefan Müller zusammen. W?hrend dieser Zeit lernte er seine Frau Elisabeth kennen. "Ich habe im Akademischen Orchester gespielt, sie auch", sagt er. Wie er spielt sie Geige. Nach Stationen in Princeton, Zürich und Bonn zog es ihn erneut nach Leipzig, wo er jetzt an der Universit?t eine Professur inne hat.

In der Tradition zahlreicher osteurop?ischer L?nder gibt es in der früheren DDR - also auch in Leipzig - Mathematik-Kreise. "Am Institut für Mathematik werden solche Aktivit?ten am Felix-Klein-Colleg gebündelt", berichtet Székelyhidi, der seit 2014 Sprecher der Einrichtung ist. Aufgaben des Felix-Klein-Collegs sind die F?rderung mathematisch interessierter Schüler, die Lehrerbildung und die Qualit?tssicherung im Studium. Zudem will es das Thema Mathematik einer breiten ?ffentlichkeit bekannt machen.

Wie ein G?mb?c aussieht und funktioniert, erkl?rt Prof. Székelyhidi im Video-Interview auf Youtube.

Hinweis:
Prof. Dr. László Székelyhidi ist einer von mehr als 150 Experten der Universit?t Leipzig, auf deren Fachwissen Sie mithilfe unseres Expertendienstes zurückgreifen k?nnen.