Pressemitteilung 2000/032 vom

H?ren Sie Farben? Oder sehen Sie T?ne? Diese F?higkeit, verschiedene Sinneseindrücke miteinander zu verbinden, hatten auch Johann Wolfgang Goethe, der russische Maler W. Kandinsky und viele andere berühmte und weniger berühmte Pers?nlichkeiten. Wissenschaftler vom Institut für Allgemeine Psychologie der Universit?t Leipzig versuchen nun, diesen besonderen Wahrnehmungen auf die Spur zu kommen.

Für ihr Forschungsprojekt, das unter der Leitung von Prof. Dr. Hermann Müller und Dr. Christian Kaernbach steht, suchen sie Menschen, die ?hnliche Ph?nomene bei sich bemerkt haben und sich mit anderen sog. Syn?sthetikern und den Wissenschaftlern austauschen m?chten. Um diesen Kontakt zu erm?glichen, haben die Wissenschaftler ein sog. "Erz?hlcafé" eingerichtet. Es ist unter der Telefonnummer 0341 97-35983 tagsüber zu erreichen. Das n?chste Erz?hlcafé findet am kommenden Samstag statt.

Die F?higkeit, Farben zu h?ren oder T?ne zu sehen, die, so Sabine Schneider vom Institut für Allgemeine Psychologie, "im ersten Moment fast m?rchenhaft anmutet", wird mit dem griechischen Begriff "Syn?sthesie" (Sinnesvermischung) bezeichnet. Hierbei werden "mehrere Sinne auf unorthodoxe, faszinierend andere Weise miteinander verbunden", erkl?rt Schneider, die darüber ihre Doktorarbeit schreibt.

Die h?ufigste Form der Syn?sthesie ist das sogenannte "farbige H?ren". Für Menschen, die mit dieser F?higkeit begabt sind, leuchten die T?ne. Das hei?t, zu allt?glichen H?reindrücken wie Ger?uschen, W?rtern, Zahlen oder auch T?nen erscheinen ihnen "vor dem inneren Auge" unwillkürlich Farben. Goethe etwa vergleicht in seiner Farbenlehre die Harmonien der Musik mit seinen Stimmungen, die durch Farbt?ne hervorgerufen werden. Der Komponist A. Sch?nberg verarbeitete seine Visionen der Verbindung von Musik und Malerei in seinen Bühnenwerken. Und der russische Maler W. Kandinsky schreibt in seinen Kindheitserinnerungen, dass sich der Himmel von Moskau abends "wie eine tolle Tuba" verf?rbte und summte den Farbton, bevor er ihn auf der Palette mischte. Auch F?lle von anderen Sinnesmischungen gibt es, beispielsweise die Verbindung von Farbe und Geschmack. Sie sind allerdings seltener. So berichtet der amerikanische Neurologe R. Cytowic von einem Gast, der sich beklagte: "Das Hühnchen schmeckte kugelf?rmig".

Es wird vermutet, dass Syn?sthesie oft mit einer Erweiterung der Wahrnehmungsf?higkeit einhergeht, die Kreativit?t f?rdert und au?ergew?hnliche Ged?chtnisleistungen erm?glicht. So nutzen Syn?sthetiker ihre F?higkeit z. B. als Eselsbrücke, indem sie sich Telefonnummern oder Vokabeln farbig merken. Durch die Kl?rung dieses Ph?nomens erhoffen sich die Leipziger Wissenschaftler neue Einsichten darüber, wie unser Bewu?tsein funktioniert.