Pressemitteilung I2022/001 vom

Das Fehlen gro?er Pflanzenfresser nach dem Aussterben der Dinosaurier hat die Pflanzenevolution ver?ndert. Die 25 Millionen Jahre lange Abwesenheit gro?er Pflanzenfresser verlangsamte die Entwicklung neuer Pflanzenarten. Verteidigungsmerkmale wie Stacheln bildeten sich zurück und die Früchte wurden gr??er. Dies hat ein Forschendenteam unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversi?tsforschung (iDiv) und der Universit?t Leipzig am Beispiel von Palmen nachgewiesen. Sie konnten auch zeigen, wie tiefgreifend die Ver?nderungen waren: Selbst das Wiederauftreten gro?er Pflanzenfresser Millionen Jahre sp?ter konnte die bereits eingetretenen Ver?nderungen nur teilweise überschreiben. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift "Proceedings of the Royal Society B" ver?ffentlicht. Sie erm?glicht einen Blick in die erdgeschichtliche Vergangenheit und tr?gt gleichzeitig zu einem besseren Verst?ndnis der Folgen heutiger Aussterbeprozesse bei.

Mit dem Aussterben gro?er, flugunf?higer Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren fehlten in den folgenden 25 Millionen Jahren gro?e Pflanzenfresser auf der Erde. Da sich Pflanzen und pflanzenfressende Tiere gegenseitig beeinflussen, stellt sich die Frage, ob und wie sich diese sehr lange Abwesenheit und die sp?tere Rückkehr der so genannten ?Megaherbivoren“ auf die Evolution der Pflanzenwelt ausgewirkt hat.

Um diese Frage zu beantworten, untersuchten die Forschenden unter Leitung von iDiv und der Universit?t Leipzig fossile und heute lebende Palmen. Mit Hilfe genetischer Analysen konnten sie die evolution?re Entwicklung der Pflanzen w?hrend und nach der Abwesenheit der Megaherbivoren nachvollziehen. Damit best?tigten sie zun?chst die g?ngige wissenschaftliche Annahme, dass viele Palmenarten zur Zeit der Dinosaurier gro?e Früchte trugen und mit Stacheln und Dornen an Stamm und Bl?ttern versehen waren.

Das Forschungsteam stellte jedoch fest, dass die ?Evolutionsgeschwindigkeit“, mit der neue Palmenarten mit kleinen Früchten entstanden, w?hrend der Megaherbivoren-Lücke abnahm. Die Evolutionsgeschwindigkeit derjenigen mit gro?en Früchten blieb hingegen nahezu konstant. Die Gr??e der Früchte selbst nahm jedoch ebenfalls zu. Es gab also auch noch nach dem Aussterben der Dinosaurier Palmen mit gro?en Früchten. Offenbar konnten viel kleinere Tiere ebenso gro?e Früchte fressen und die Samen mit ihren Ausscheidungen verbreiten. ?Damit konnten wir die bisherige wissenschaftliche Annahme widerlegen, dass das Vorkommen gro?er Palmfrüchte ausschlie?lich von Megaherbivoren abhing“, sagt die Erstautorin der Studie, Dr. Renske Onstein von iDiv und der Universit?t Leipzig. ?Wir gehen daher davon aus, dass der fehlende Einfluss gro?er Pflanzenfresser zu dichteren Vegetationen führte, in denen Pflanzen mit gr??eren Samen und Früchten einen evolution?ren Vorteil hatten.“

Die Verteidigungsmerkmale der Pflanzen, Stacheln und Dornen an Bl?ttern und St?ngeln, zeigten jedoch ein anderes Bild: Die Zahl der Palmenarten mit Verteidigungsmerkmalen nahm w?hrend der Megaherbivoren-Lücke ab. ?Ohne Fressfeinde boten Verteidigungsmerkmale offenbar keine evolution?ren Vorteile mehr“, so Onstein, die am iDiv die Nachwuchsgruppe Evolution und Anpassung leitet, ?sie kehrten aber bei den meisten Palmenarten zurück, als sich neue Megaherbivoren entwickelten, im Gegensatz zu den Ver?nderungen bei den Früchten, die bestehen blieben.“

Mit ihrer Arbeit werfen die Forschenden ein neues Licht auf die Evolution und Anpassung w?hrend einer der r?tselhaftesten und einzigartigsten Perioden in der Geschichte der Evolution gro?er Pflanzen, w?hrend und nach dem Aussterben der Megaherbivoren. Wenn man versteht, wie sich das Aussterben von Megaherbivoren auf die Pflanzenevolution in der Vergangenheit ausgewirkt hat, kann man auch zukünftige ?kologische Entwicklungen vorhersagen. Die Autoren haben zum Beispiel den Verlust von Merkmalen w?hrend der Megaherbivoren-Lücke festgestellt. Dieser Verlust kann sich auf wichtige ?kosystemfunktionen und -prozesse auswirken, z. B. auf die Ausbreitung von Samen oder den Verzehr ganzer Pflanzen oder Pflanzenteile. Das anhaltende Aussterben von Gro?tieren aufgrund der menschlichen Jagd und des Klimawandels kann daher auch die Merkmalspektrum in Pflanzengemeinschaften und ?kosystemen heute und in absehbarer Zukunft beeinflussen.

Urs Moesenfechtel

Originalpublikation:
(Forschende mit iDiv-Affiliation fett)

Onstein, R. E., Kissling, W. D., Linder, H. P. (2022): The megaherbivore gap after the non-avian dinosaur extinctions modified trait evolution and diversification of tropical palms. Proc. R. Soc. B 20212633. DOI: 10.1098/rspb.2021.2633