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Am 14. M?rz 2023 erschien der systematischer Literaturüberblick ?Rahmenbedingungen und Herausforderungen kultureller Bildung in l?ndlichen R?umen“ von Martin Büdel und Nina Kolleck in der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. In folgendem Blogbeitrag werden zentrale Ergebnisse des Reviews zusammengefasst. Der systematische Review bietet einen umfassenden ?berblick über Publikationen zu kultureller Bildung, Kulturarbeit und Soziokultur in l?ndlichen R?umen im deutschsprachigen Raum.

Welche Forschungsergebnisse existieren bereits zum Thema kultureller Bildung in l?ndlichen R?umen? Und unter welchen Gesichtspunkten kann man diese Ergebnisse zusammenfassen?

Mit diesen Fragen besch?ftigten sich Martin Büdel und Nina Kolleck. Sie untersuchten für ihren systematischen Review ?Rahmenbedingungen und Herausforderungen kultureller Bildung in l?ndlichen R?umen“ mehr als 270 deutschsprachige Publikationen, besonders zu den kommunal- und kulturpolitischen Bedingungen, den (infra-)strukturellen Faktoren sowie den kulturellen und gesellschaftlichen Dimensionen kultureller Bildung in l?ndlichen R?umen.

Ein systematisches Review bzw. ein systematischer Literaturüberblick ist ein eine strukturierte Methode zur Zusammenfassung und Analyse von wissenschaftlicher Literatur zu einem spezifischen Forschungsthema. Ziel ist es, relevante Studien zu identifizieren, zu bewerten und die Ergebnisse systematisch  zu pr?sentieren. Durch diese Methode wird der aktuelle Forschungsstand zum Forschungsthema darstellt. Dies erm?glicht dann gezielte neue Forschung zu planen und praxisrelevante Schlussfolgerungen zu ziehen, die über einzelne Studien hinausgehen.

Die Forschung in diesem Bereich zeigt zun?chst, wie kulturelle Bildung einen nachhaltigen Einfluss auf das Leben und die Gesellschaft in l?ndlichen Regionen ausüben kann. Gleichzeitig besch?ftigt sich die Wissenschaft auch mit den vielf?ltigen Herausforderungen, denen die kulturelle Bildung in l?ndlichen Gebieten gegenübersteht. Dazu z?hlen begrenzte Ressourcen, Einschr?nkungen beim Zugang zu Bildungsangeboten sowie die Notwendigkeit, innovative Ans?tze zu entwickeln, um das kulturelle Leben zu bereichern und zu f?rdern—nicht zuletzt auch w?hrend einer Pandemie.

Welche grundlegenden Erkenntnisse gehen also aus dem Review hervor?

1. Es gibt pauschale Vorstellungen von l?ndlichen R?umen.

L?ndliche R?ume stehen oft im Schatten der st?dtischen Zentren, wenn es um kulturelle Bildung geht. Pauschale Vorstellungen von l?ndlichen R?umen als kulturell defizit?r oder idyllisch erschweren eine realistische Betrachtung der Bedingungen, unter denen kulturelle Bildung in l?ndlichen R?umen stattfindet. Wer erfolgreich kulturelle Bildung in l?ndlichen R?umen gestalten will, muss sich kritisch mit solchen Zuschreibungen auseinandersetzen. 

2. Kulturelle Bildung bef?higt zur Mitgestaltung der Lebenswelt.

Kulturelle Bildung wird in dem Review als Prozess der Bef?higung zur selbstbestimmten Mitgestaltung und Pr?gung der eigenen Lebenswelt verstanden. Dabei spielen verschiedene Ans?tze eine Rolle, wie kunstp?dagogische Vermittlungsformen, allgemeine Bildung und die Entfaltung menschlicher F?higkeiten sowie die Bewahrung und Vielfalt des kulturellen Erbes.

3. Die wissenschaftlichen Interessen und Forschungsschwerpunkte verschieben sich

In den 1980ern- und 1990er-Jahren gab es ein verst?rktes Interesse an kultureller Bildung in l?ndlichen R?umen. In den frühen 2000ern lie? dieses Interesse wieder nach. Aktuell erlebte die Forschung zu kultureller Bildung in l?ndlichen R?umen wieder einen Aufschwung, zum Beispiel durch die BMBF-F?rderrichtlinie zu diesem Thema. Forschungsschwerpunkte liegen vor allem auf kulturpolitischen Interventionen und f?rderpolitischen Fragen, w?hrend die empirische Forschung zu kultureller Bildung im engeren Sinne noch begrenzt ist. Au?erdem gibt es deutlich mehr Erfahrungsberichte über einzelne Bildungs- und Kulturprojekte als systematische empirische Forschung zu kultureller Bildung im l?ndlichen Raum oder im Vergleich von Land und Stadt.

4. Es gibt noch gr??ere Forschungslücken und viele praktische Herausforderungen

Das Review zeigt, dass es in der Forschung noch Lücken gibt. Eine gezielte Auseinandersetzung mit der konkreten Gestaltung kultureller Bildungsangebote sowie regionalspezifische Untersuchungen zu praxisbezogenen Problemstellungen in l?ndlichen R?umen sind notwendig. Ebenso fehlt es an Forschung zu den Bedingungen und Konflikten scheiternder Projekte und Initiativen, die wertvolle Erkenntnisse liefern k?nnten. H?ufig wird nach Erfolgsfaktoren gesucht oder erfolgreiche Einzelprojekte beschrieben. Auch Beitr?ge zu informellen Orten und Gelegenheiten kultureller Bildung sowie qualitative Untersuchungen von Bildungsprozessen in soziokulturellen Kontexten werden noch zu wenig berücksichtigt. Hier gibt es vermutlich gro?e Unterschiede sowohl zwischen Stadt und Land als auch zwischen verschiedenen l?ndlichen R?umen, die zukünftig verst?rkt erforscht werden k?nnten.

Neben diesen Erkenntnissen wurden im Review auch vielf?ltige Empfehlungen für Akteur*innen aus der Praxis formuliert. Hier eine Auswahl:

1. Akteure der kulturellen Bildung sollten den gesellschaftlichen und technologischen Wandel immer schon mitdenken.

Um den Herausforderungen des sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandels in l?ndlichen Regionen zu begegnen, ist eine kritische Reflexion notwendig. Kulturellen Bildungseinrichtungen und Praxisakteuer*innen sollten vorhersehbaren, aber auch den unvorhergesehenen sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandel flexibel in ihre Planungen einbeziehen.

2. Modellprojekte sollten systematisch durch Begleitforschung unterstützt werden

Begleitforschung kann Modellprojekten dabei, helfen sich gezielt an Ver?nderungsprozesse anzupassen. Eine st?rkere Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis kann hier wertvolle Erkenntnisse liefern, auch dann, wenn das Modellprojekt scheitert.

3. Im l?ndlichen Raum sind generationsübergreifende Angebote kultureller Bildung besonders wichtig.

Um eine breite Teilnahme an Kultureller Bildung zu f?rdern, sollten Bildungsangebote verst?rkt generationsübergreifend gestaltet werden. Musik- und Traditionsvereine k?nnen dabei eine wichtige Rolle als Knotenpunkte für Kulturelle Bildung in l?ndlichen R?umen spielen.

4. Interkommunale Vernetzung und Zusammenarbeit sind im l?ndlichen Raum eine zentrale Bindingung für erfolgreiche kulturelle Bildung.

Die kommunale Ebene spielt eine entscheidende Rolle bei der nachhaltigen Gestaltung der Rahmenbedingungen für Kulturelle Bildung. Eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen kulturpolitischen Ebenen und der kommunalen Steuerung ist notwendig. Fehlende finanzielle Unterstützung führt zu einem Rückgang an freier Kulturarbeit. Zudem sollten interkommunale oder regionale Vernetzung und Ressourcenbündelung gef?rdert werden, um die kulturelle Bildung fl?chendeckend zu st?rken. Da es im l?ndlichen Raum h?ufig nur wenige zentrale Orte für kulturelle Bildung gibt, ist Mobilit?t auch über Gemeinde- oder Kreisgrenzen hinweg wichtig.

5. Dezentrale und digitale Angebote sollten gest?rkt werden.

Angesichts der sinkenden Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme an kulturellen Bildungsangeboten mit zunehmender Entfernung ist es wichtig, dezentrale oder mobile Angebote in l?ndlichen Gebieten zu etablieren. Die Digitalisierung kann dazu beitragen, Defizite in Schulen und anderen Kultur- und Bildungseinrichtungen auszugleichen und die Qualit?t von Bildungsangeboten zu steigern.

6. Ehrenamtliches Engagement braucht Wertsch?tzung, weil ohne diese Engagement nachhaltige kulturelle Bildung im l?ndlichen Raum schwierig ist.

Im Anbetracht knapper finanzieller Mittel in Kommunen und Landkreisen spielt ehrenamtliches Engagement eine bedeutende Rolle für kulturelle Bildungsangebote in l?ndlichen Regionen. Dieses Engagement sollte entsprechend gewürdigt und gef?rdert werden.

Insgesamt verdeutlicht der systematische Literaturüberblick die Relevanz und die vielf?ltigen Herausforderungen Kultureller Bildung in l?ndlichen R?umen. Mit gezielter Forschung, einer kritischen Reflexion und einer verst?rkten Zusammenarbeit zwischen Forschung und Praxis k?nnen die Bedingungen für kulturelle Bildung in l?ndlichen R?umen verbessert und die Potentiale weiter ausgesch?pft werden.

 

Das gesamte Review finden Sie frei zug?nglich unter: https://link.springer.com/article/10.1007/s11618-023-01144-0